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Linna singt

Linna singt

Titel: Linna singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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nie sein. Und ist das wahr, sie hat das Spiel inszeniert, um zu erfahren, warum ich ausgestiegen bin? Ungeschickter hätte sie es kaum anstellen können. »Warum hat sie Angst vor mir?«
    »Abgesehen von ihrer Eifersucht wegen Jules? Du lässt sie auflaufen, wann es dir passt, dazu deine vielen Talente …«
    »Welche vielen Talente?« Obwohl ich eine Frage nach der anderen durch den Raum pfeffere, habe ich immer mehr den Eindruck, selbst am Pranger zu stehen. Nun sind auch noch meine Talente verkehrt.
    »Du bist sportlich und künstlerisch begabt und eine begnadete Sängerin. Bisschen viel auf einmal, findest du nicht? Hübsch bist du auch noch. Ziehst dich gut an und kannst tanzen. Das macht anderen Frauen Angst, merkst du das nicht?«
    Abwehrend schüttele ich den Kopf. Ich habe das nie so betrachtet. Es gibt genügend Sachen, die ich nicht kann. Und gemacht habe ich aus meinen Talenten auch nichts. Das Aussehen ist außerdem keine Leistung, das wurde mir als Bonus von Mutter Natur dazugegeben, und so langsam habe ich den Verdacht, dass es mir mehr schadet als nützt und Falk mir noch vertrauen würde, wenn ich hässlicher wäre.
    »Kannst du mir nicht sagen, wodurch das Gefühl entstanden ist, mir nicht mehr vertrauen zu können, wenn es keine Angst war?« Ich weiß nicht, ob man meiner Stimme anmerkt, welche Schmerzen ich habe. Mir tut jede Silbe weh, als würde sich beim Sprechen eine eiserne Faust um meine Kehle schließen.
    Falks Hände ruhen entspannt auf Lunas Rücken, während er nachdenkt, doch der Blick der Hündin ist auf mich gerichtet, aufmerksam und treu. Sie spürt, wie es um mich bestellt ist und dass ich gerade nackt durchs Fegefeuer spaziere. Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass mich das mangelnde Vertrauen eines anderen Menschen so verletzen kann.
    »Du … du strahlst eine seltsame Mischung aus Angriffslust, Distanziertheit und Verletzlichkeit aus. Wobei ich die Verletzlichkeit … die …« Falk hebt sein Kinn, um mich anzusehen. »Die habe ich erst in den vergangenen Tagen wieder wahrgenommen. Heute Nacht hast du dich in meinen Armen angefühlt wie ein verängstigtes Vögelchen, ganz zart und weich. Ich habe deinen Herzschlag gespürt. Wie damals in unserer Nacht.«
    Ich finde keine Kraft, etwas darauf zu entgegnen. Meine Füße schlurfen beinahe über den Boden, als ich ans Fenster gehe und meine Stirn gegen die kalte Scheibe drücke, um wieder zur Besinnung zu kommen. Ich kann nicht so sein, wie Falk sich das wünscht. Es geht nicht. Ich sterbe, wenn ich es tue.
    »Dein Verhalten war nicht fair, Falk. Du hast mich vor den anderen blamiert.«
    »Ja, fair war es nicht, einverstanden. Ich verstehe nur nicht, warum es dir so wichtig war. Du hast es von der ersten Sekunde unserer Wiederbegegnung darauf angelegt, dass ich etwas darüber sage oder tue, was dir zeigt, dass ich mich erinnere. Warum war es dir so verdammt wichtig?«
    »Weil … weil …« Ich breche ab. Nein, das kann ich ihm nicht sagen. Damit würde ich das gerade erst wiedergewonnene, zarte Vertrauen für immer zerstören, ein Vertrauen, das ich mir mit meiner Schwäche verdient habe, nicht mit meiner Stärke. Dass ich diese Nacht brauchte, um einen Sinn in meinem Leben zu finden, und sie manchmal das Einzige war, was mich noch aufrecht hielt, würde ihm Angst einjagen. Das würde jedem Angst einjagen. Er würde nicht verstehen, dass im Grunde nicht er mein Lebenselixier war, sondern das, was ich aus unserer Nacht machte. Diesen Unterschied würde er nicht begreifen.
    »Ich weiß es nicht. Ich habe halt sofort gespürt, dass du mich abblockst, und das hat mich erst recht darin bestärkt, dich daran zu erinnern«, winde ich mich heraus. Er antwortet nicht, mit etwas Glück genügt ihm diese Erklärung, denn sie passt zu dem Bild, das er vorhin von mir gezeichnet hat. Die angriffslustige Linna, die sich wie ein Bluthund an einer Sache festbeißen kann und erst recht in einem anderen Menschen. Oh, wie ich dieses Bild verabscheue.
    »Nich’ traurig sein, Mozzie«, dringt Falks Stimme wie aus einer anderen Welt zu mir. »Es ist alles wieder offen.«
    Nein, Falk, das ist es nicht. Denn nun weiß ich, wer du bist. Selbst wenn du mir nie misstraut hättest, wäre es anders als früher. Aber ich lasse seine Worte so stehen, für den Moment können sie mich ein wenig trösten und vielleicht reichen sie aus, um einige wenige Träumereien wieder aufleben zu lassen. Doch wie heute Nacht wird es nie wieder werden und auch nicht wie

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