Linna singt
aus ihrem Bauch kommt und ihren ganzen Körper erbeben lässt. Luna hört etwas! Riecht etwas. Und was sie da wahrnimmt, passt ihr nicht. Falk zieht sie noch etwas näher an sich heran und versucht, ihre Schnauze zuzuhalten, doch sie knurrt weiter und ich kann spüren, wie sie all ihre Muskeln anspannt und ihre Haare aufstellt.
Mit einem schrillen Aufkläffen befreit sie sich aus Falks Griff und stürmt zur Tür. Wir hören, wie ihre Pfoten über die Klinke streifen und das Schloss sich öffnet, dann jagt sie die steile Stiege herunter.
»Fuck!« Wir stolpern beinahe über unsere Füße, als wir ineinander verknäult aufstehen und zur Tür hasten, doch wir sehen nur noch Lunas Hinterteil am Fuße der Treppe nach rechts in den Flur verschwinden. Sie bellt nicht, sie beschränkt sich auf ihr kehliges Knurren, doch es ist laut genug, um die ganze Hütte aufzuwecken.
»Hilfe«, ertönt es piepsig aus dem Flur. »Hilfe! Falk, Hilfe!«
Die letzten fünf Stufen nimmt Falk mit einem großen Sprung und ich tue es ihm gleich, obwohl wir uns bei diesem waghalsigen Stunt alle Knochen brechen können. Ist das nicht …? Falk lässt das Feuerzeug aufflackern. Oh, Scheiße.
»Luna, here!« Falk schreit nicht, aber sein Befehl ist in seiner Schärfe unmissverständlich. Den Blick immer noch auf Tobi gerichtet, der mit aufgerissenen Augen und erhobenen Händen im Flur steht, kriecht die Hündin rückwärts, bis ihr eingeklemmter Schwanz Falks Beine berührt.
»Ich … ich … ich wollte doch nur aufs Klo, ich …« Tobi unterbricht sein Stammeln, um zu schlucken und gepresst aufzuhusten. Ihm muss schlecht sein vor Angst. Und es ist schon Furcht einflößend genug, nachts aufs Außenklo gehen zu müssen. Dabei von einem Hund in Kalbsgröße angefallen zu werden, ist tiefstes Mittelalter. Langsam lässt er seine Hände sinken und versucht, seine Jacke zu schließen, die er sich über den Pyjama geworfen hat, um bei seinem Toilettengang nicht zu erfrieren. Warum pinkelt er nicht aus dem Fenster? Selbst ich habe heute Nacht mit diesem Gedanken geliebäugelt. »Also ihr wart das …«, setzt er hinterher und streicht sich über die Stirn, ohne seine Jacke vorher vollständig geschlossen zu haben.
»Was waren wir? Was hast du gehört?«, hakt Falk fordernd nach.
»Geräusche«, erwidert Tobi mit verschlafener Stimme. Seine Augen sind winzig und er blinzelt ununterbrochen. »Von oben … ich wollte das Licht anmachen, aber … geht nicht …«
»Hast du jemanden gesehen? War da jemand?«, mische ich mich in das Verhör ein und klinge nicht minder streng.
»Nein. Es ging nur eine Tür im Flur, aber dann war ich wach und musste … na, ihr wisst schon … Warum eigentlich? Ist was passiert?«
»Noch nicht«, erwidert Falk kurz angebunden.
Na toll. Tobias ist aufgewacht, weil er Schritte und eine Tür hörte. Das kann Falk gewesen sein. Ich kann es gewesen sein. Und es können Jules oder Maggie gewesen sein. Diese Information hilft uns nicht weiter. Wir sollten ihn ziehen lassen, bevor wir die anderen aufwecken. Simon braucht seinen Schlaf. Maggie auch. Falls sie es selbst war, die oben weinte, erst recht. Nur Jules kann ich mir nicht mehr schlafend vorstellen. Vielleicht steht er direkt neben uns, hinter seiner Tür, und presst das Ohr dagegen, damit ihm auch ja kein Wort entgeht; eine Vorstellung, bei der mir übel wird.
Tobi streicht sich abwesend über den Bauch.
»Darf ich … kann ich jetzt … was ist denn? Warum guckt ihr mich so an?«
»Nichts«, antworte ich seufzend und deute zur Stube. »Na los, geh schon.«
Wir warten schweigend im Dunkeln des Flurs, bis Tobias nach einigen Minuten zurückkehrt und mit einem leicht beleidigten »Nacht« auf sein Zimmer verschwindet. Er hätte bestimmt gerne zusammen mit uns Räuber und Gendarm gespielt und nimmt es persönlich, nicht dabei gewesen zu sein. Meine Augen haben sich nun so sehr an die Dunkelheit gewöhnt, dass ich Falk mühelos erkennen kann. Er lehnt mit der Schulter an der Wand und schaut mich resigniert an.
»Das war wohl nichts«, fasst er zusammen, was ich schon die ganze Zeit denke. Immerhin, wir haben ein neues Attentat verhindert; ich glaube nicht, dass der Täter nach Lunas Aufstand in dieser Nacht einen weiteren Anlauf nimmt.
»Sollten wir das da oben wegwischen?«, frage ich gähnend. »Das könnte ihm zeigen, dass er nicht unbeobachtet geblieben ist.« Ach, von wegen. Es zeigt gar nichts. Aber ich glaube, dass es besser ist, wenn nur wir von diesem
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