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Linna singt

Linna singt

Titel: Linna singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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der mich mit ihm in den Dschungel entführte. Jetzt wird keine fremde Hand meine Träume stören, sie werden ganz mir, meiner Seele und meinem Körper gehören. No Man’s Land von Mike Oldfield, danach Thou Art in Heaven und zum Schluss Sirius, diese drei Songs, immer wieder, ich widme sie ihm, nur ihm, seinem graublauen Sehnsuchtsblick, seinem Freiheitsdrang, jedem einzelnen seiner Brusthaare und auch seinem wiedergefundenen Gedächtnis. Nicht einmal für meine Angst bleibt noch Platz in meinem Kopf.
    Als ich die Augen schließe, mich von den sanften Klängen in meinem Kopf weit, weit weg in eine ferne grüne Welt entführen lasse und das Meer zu riechen glaube, lächele ich immer noch.

THE TOP OF THE MORNING
    »Warum? Warum hast du so getan, als würdest du dich nicht mehr an unsere gemeinsame Nacht erinnern?«
    Meine Träumereien waren von ernüchternd kurzer Dauer. Je heller es draußen vor meinem Fenster wurde, desto mehr lästige Fragen suchten meinen Kopf heim, bis ich zu der Meinung gelangte, vollkommen hirnverbrannt auf Falks mehrdeutiges Angebot reagiert zu haben. Ich bin hin- und hergerissen zwischen dem Zorn über meine eigene Dummheit und gekränktem Stolz.
    Vielleicht war es meine letzte Chance, eine Nacht mit Falk zu verbringen, und was habe ich getan? Ich flüchtete stotternd in mein Zimmer und träumte lieber kitschtriefend vor mich hin, anstatt diese Gelegenheit beim Schopfe zu packen. Wenn Simon eine Blutvergiftung hat, ach, wenn seine Wunde auch nur irgendwie den Eindruck macht, sich zu entzünden, gibt es keine weitere Nacht in dieser Hütte, die ich zusammen mit Falk verbringen kann.
    Auf der anderen Seite hat er es nicht verdient, mich bei sich zu haben. Nein, nicht einen Quadratmillimeter meines Körpers hat er verdient, wo er unsere Nacht doch vor allen anderen verleugnet und nicht zu mir gestanden hat. Bodenlos blamiert hat er mich mit seinem vorgetäuschten Gedächtnisschwund, mir meine Glaubwürdigkeit genommen. Wie konnte ich darüber hinwegsehen und mich in meinem vermeintlichen Glück suhlen, anstatt ihn mit Fragen zu befeuern, bis ihm schwindelig geworden wäre? Ich habe ein Recht darauf zu erfahren, warum er all das getan hat.
    So bin ich schließlich zeternd und fluchend aufgestanden, habe mir meine Kleider von gestern übergezogen und bin, ohne zu klopfen oder mich um andere Höflichkeitsregeln zu kümmern, in seinem Zimmer eingefallen, wo ich jetzt bebend vor seinem Bett stehe. Er ist mir verdammt noch mal die Antwort auf mein Warum schuldig, ganz egal, ob sie mir gefallen wird oder nicht. Ich rechne tapfer mit der zweiten Variante.
    Luna freut sich wie immer, mich zu sehen, und unterdrückt fiepend den Impuls, an mir hochzuspringen, doch ihre Sympathiebekundungen fallen trotzdem so stürmisch aus, dass ich ihre Wucht mit beiden Händen abbremsen muss, um nicht ins Torkeln zu geraten. Das verleiht meiner Frage nicht eben den angemessenen Nachdruck, aber Falk befindet sich sowieso noch in komatöser Grundverfassung.
    Aus dem Bett ertönt lediglich ein undefinierbares Grunzen, doch er regt sich nicht. Dabei hat er garantiert mehr Schlaf abbekommen als ich. Ich habe vorhin im Spiegel zum ersten Mal in meinem Leben Ringe unter meinen Augen entdeckt, dunkle bläuliche Schatten, aber da ich keinen Abdeckstift besitze, musste ich in Kauf nehmen, wie ein Zombie bei Falk aufzuschlagen. Der ist allerdings gar nicht in der Lage, mich anzusehen.
    »Falk, wach auf, ich möchte wissen, warum du unsere Nacht geleugnet hast! Sofort! Hallo!«
    Aus dem Decken- und Kissenberg vor mir dringen weitere Grunzgeräusche und ein deutlich hörbares Kratzen auf haariger Haut – ich gehe wohlwollend davon aus, dass es sich dabei um seine Beine oder seine Brust handelt –, dann schält sich endlich sein Kopf aus dem Plumeau.
    »Linna?«
    »Ja, Linna. Die Frau, mit der du öffentlich nicht in Verbindung gebracht werden wolltest. Warum?«
    »Grmpf.« Mit beiden Händen streicht er seine zerzausten Haare zurück. Endlich kann ich sein Gesicht sehen. Er wirkt nicht minder übernächtigt als ich. Auch unter seinen Augen zeichnen sich Schatten ab. Doch es ist der falsche Zeitpunkt, nachsichtig zu sein. Er war es auch nicht mit mir, als er mich vor allen anderen auflaufen ließ. »Was?«
    »Jetzt tu nicht so, als hättest du mich nicht verstanden! Ich möchte wissen, warum du unsere Nacht geleugnet hast!«
    Doch Falk ist niemand, der sich von aufgebrachten Frauen zu reuigen Geständnissen drängen lässt. Er

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