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Linna singt

Linna singt

Titel: Linna singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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weine nicht, noch nicht. Doch ich will es aus seinem Mund hören. Nicht immer nur ahnen und fürchten.
    »Das ist mein Leben, Linna. So sieht mein Leben aus. Ich fahre allein raus aufs Meer und gehe tauchen, arbeite viel, mache Touren mit dem Motorrad ins Outback. Ich kann nichts anderes tun. Deshalb habe ich keine Beziehung. Ich will keine Versprechungen geben, die ich nicht halten kann. Dir nicht und keiner anderen mehr. Das tut am Ende nur weh … Am still no woman’s land, honey, strange …«
    »Du musst mir nichts erklären, Falk. Ich wollte es nur hören.«
    Er hat es doch schon versucht und ist gescheitert. Wahrscheinlich hat seine Freundin ihn vergangenes Jahr in Australien besucht, vielleicht hat sogar sie all die schönen Fotos von ihm gemacht. Sie haben sich verliebt und er hat sich dazu überwunden, ihr in seine alte Heimat zu folgen, weil sie dort unten, in dieser Männerwelt Australiens, nicht leben wollte. Aber sie hat seine Sehnsucht nach der Ferne gespürt, in jeder Minute, die sie mit ihm zusammen war. Das war der Grund, weshalb sie ihm nicht glauben konnte, dass er sie ebenfalls lieb hat, wie sie ihn lieb hatte.
    Ich aber liebe ihn.
    Ich knie mich nieder, um meine Arme um Lunas wolligen, warmen Körper zu schlingen und sie fest an mich zu ziehen, bis ich meine Wange an ihre Brust schmiegen kann. Sie hält ganz still, als wüsste sie, welche Stürme in mir toben und Falk von mir fortholen, und so höre ich es genau: ein feuchtes, krankes Rasseln in ihrer Lunge. Ihr Herzschlag klingt dumpf und schwer. Sie wird nicht mehr lange leben, ich kann den Tod nahen spüren.
    Ich verliere kein Wort darüber, als ich mich aufrichte und versuche, Falk nicht anzublicken, damit er nicht erkennt, was ich bereits weiß. Luna wird sterben. Nicht heute, auch nicht morgen. Aber den Sommer wird sie nicht mehr erleben.
    »Mozzie …« Falk will nach meiner Hand greifen, lässt seinen Arm aber abrupt fallen, als es an seine Tür klopft. Breitbeinig wie ein Seemann an Deck bewege ich mich ans andere Zimmerende – ein wahrer Marathonlauf, so zerschunden fühle ich mich – und öffne sie. Erst als ich sehe, dass es Simon ist und nicht Jules oder Maggie, lasse ich ihn reinkommen. Er erfasst mit einem Blick, was sich hier abgespielt hat, vielleicht riecht er es auch. Aber er lässt sich zu keinem Kommentar hinreißen.
    »Könnt ihr mal nach draußen kommen? Da steht wieder was an der Wand, dieses Mal außen, und … ich will es euch zeigen. Wir müssen etwas unternehmen, versteht ihr?«
    Wir nicken. Ich wusste es schon gestern. Heute ist der letzte Tag hier oben. Ich müsste mich waschen und wenigstens einen kurzen Blick in den Spiegel werfen, doch ich warte stumm, bis Falk sich ebenfalls seine Kleider übergezogen hat.
    »Ist schon gut«, sage ich, als er vor der Tür stehen bleibt, um mich in seine Arme zu schließen. Es gibt keine Entschuldigung, er hat nichts verbrochen. Er ist sich so nah, dass er anderen Menschen immer fernbleiben wird. Auch mir, selbst wenn ich ihm heute Nacht ehrlicher begegnet bin, als ich es nach und vor ihm je einem Mann gegenüber tun werde und getan habe. Es ist gut so. Ich möchte nicht Tag für Tag dabei zusehen müssen, wie ich ihn verliere. Er wird nie wissen, wie sehr ich ihn liebe, denn würde ich es ihm sagen, würde er versuchen, mir einen Gefallen zu tun und zu bleiben.
    »Die Welt wartet auf uns«, flüstere ich in sein Ohr, während meine Tränen in seinem Haar versickern. Sie wartet mit einer neuen bösen Überraschung. Es wird noch viele solcher Überraschungen geben. Ich kann mich nicht davor verstecken.
    Hand in Hand verlassen wir das Zimmer, doch als ich hinaus in den Schnee trete und die Sonne mir grell ins Gesicht scheint, Licht überall, bin ich wieder allein.

THE SOURCE OF SECRETS
    Die Botschaft hat nichts mit mir zu tun. Schon zum zweiten Mal. Doch beruhigen kann mich diese Erkenntnis nicht. Das Gegenteil tritt ein: Sie versetzt mir einen solchen Schock, dass ich leise aufschreie und im gleichen Moment mein Gesicht mit der Hand zu verdecken versuche, als würde mich der Verfasser dieser Worte beobachten. Ich gönne ihm keine Macht über meine Emotionen. Denn genau solche Reaktionen möchte er hervorrufen, Panik, Verwirrung und Unruhe bis hin zur Paranoia. Er spielt mit unseren Gefühlen. Auch Falk zieht unbehaglich die Schultern hoch, als er die roten Lettern entziffert.
     
    EINE(R) VON UNS WIRD SICH HEUTE NACHT DAS LEBEN NEHMEN.
     
    Jules kommt mit einem Eimer und

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