Linna singt
mich seinen Berührungen zu unterwerfen. Es ist keine Massage, was er da macht, selbst als Erforschen kann man es nicht bezeichnen, nein, es ist vielmehr ein zufälliges Herumstromern in einem neuen Revier; alles, was er mit mir anstellt und was mich immer weicher und wehrloser werden lässt, könnte Zufall oder ein Glückstreffer sein; er verweilt dort, wo es ihm gefällt, und zieht weiter, wenn es ihm langweilig wird, bis ich sein Gewicht schwer und warm auf meinem Rücken fühle und mich in seiner Eroberung verliere. Ich habe keine Kontrolle mehr, all meine Träumereien sind weit weg, es gibt nur noch das, was wahrhaftig geschieht.
»Bitte, Falk … bitte … lass mich nicht mehr warten, bitte …«, höre ich mich flehen, doch er lässt sich Zeit, damit wir gemeinsam unseren Frieden suchen können, ohne das, was gestern war und morgen sein könnte. Wir haben keine Zukunft. Ich weine beinahe, weil ich es ohne ihn nicht mehr aushalte, doch seine Hand umfasst erst behutsam meinen Hals und mein Gesicht, ertastet meinen Mund, ich spüre seinen Daumen an meinen Lippen, stoße instinktiv mit der Zunge dagegen und umfange ihn, salzig-herb schmeckt er und fühlt sich rau an meinem Gaumen an. Stiehlt meine letzten, flüchtigen Gedanken.
Ich bin nur noch da, finde Frieden in mir. Nicht in ihm oder uns, in mir. Wie habe ich mich jemals vor mir verstecken können? Wie konnte ich es so lange ohne mich aushalten?
Mein Hals ist kratzig und mein Atmen klingt heiser, als er mich wieder zu sich herumdreht, aus eigener Kraft kann ich mich nicht mehr rühren. Noch immer glaube ich, durch tiefes, weiches Wasser zu gleiten. Ein letztes Mal seufze ich auf, denn ich sehe in seinen Augen, dass ihm nicht gleichgültig ist, was eben geschehen ist. Fast scheu blickt er mich an, doch sein Lächeln ist von einer Sicherheit und Gewissheit, die ich nie finden werde.
»Du kannst sehr wohl noch singen, Linna«, murmelt er schläfrig und wischt mir mit dem Fingerknöchel eine Träne aus dem Augenwinkel. Ich habe ihn angestrengt. »Ich hab’s gehört. Ich fress einen Besen, wenn du nicht mehr singen kannst.«
Er hat noch nicht zu Ende gesprochen, da sinken seine Lider herab; auch ich bin zu erschöpft, um aufzustehen und vernünftige Dinge zu tun oder zu sagen. Schlafen kann ich nicht, das ist aussichtslos, aber ich kann auch nicht davonlaufen, wie ich es sonst tue. Falk hat mich zu sich genommen und hält mich mit beiden Armen fest, sein Kinn auf meine Schulter gebettet. Keine Fluchtmöglichkeit.
Dann muss ich es morgen früh tun, wenn er Luna Gassi führt, er hat doch gesagt, dass er immer vor uns aufsteht. Ich werde davon wach werden und mich in mein Zimmer stehlen können, während er draußen ist. Vorsichtig drehe ich mich um, bis ich meine Wange auf seinen Arm legen und meinen Po an seine Hüfte schmiegen kann.
Sein gleichmäßiger Atem an meinem Hals ist kühl, sein Arm liegt schwer auf meinem Körper, zu schwer, als dass ich Ruhe finden könnte. Langsam kehren meine Gedanken zurück und auch das Empfinden für Kälte und Hunger. Ich liege still. Höre alles. Wo ist dein Herz? Da. Wo bist du?
Ich passe genau in seine Arme, mein Rücken geschützt durch seine Brust, sein rechtes Bein umschlingt meines, das andere trägt mich. Trag mich um die Welt … Meine Hand liegt zwischen meiner Kniekehle und seinem Bein, so vertraut, auch meine eigene Haut ist nicht mehr fremd, sondern – ein Stück von mir. Durch ihn. Er weiß es nicht. Schläft. Ist kaum mehr bei mir.
Langsam entgleite ich – mir – wieder …
Zu spät. Zu spät! Ich habe es verpasst. Wie konnte ich es verpassen? Ich wache sonst von jedem Geräusch auf, warum an diesem Morgen nicht? Falk kommt gerade von draußen zurück, stolpert gähnend durch das Zimmer, wirft die Klamotten von sich und kriecht nackt zu mir in die Federn, oh verflucht, ich liege immer noch hier, in seinem Bett, und vor dem Fenster ist es bereits hell geworden, fahles graues Morgenlicht. Ich sehe es, weil ich vor Schreck die Augen geöffnet habe, wie ein Vampir, der die Sonne fürchtet und doch nicht anders kann, als direkt hineinzuschauen. Nun weiß er, dass ich wach bin. Ich kann ihn nicht wieder neben mir einschlafen lassen und auf eine günstige Gelegenheit warten, um nach nebenan zu verschwinden, weil … weil ich es nicht will.
Ich will es nicht. Ich habe scheußliche Angst, doch ich möchte bei ihm bleiben, noch eine kleine Weile, bis der Tag die Nacht endgültig vertrieben hat. Dieses Mal
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