Linna singt
überstehenden Terrassendach ab, packe ihn in ein Küchenhandtuch und reiche ihn Maggie.
»Hier. Vielleicht hilft das.«
Mit einem unterdrückten Aufwimmern drückt sie sich das kühlende Päckchen an die Stirn. »Was machen die da nur?«
»Ich glaube, sie wollen den Saunaofen in Gang bringen. Hoffentlich schaffen sie es, mir ist seit gestern durchgehend kalt.«
Alarmiert hebt Maggie ihren verquollenen Blick. »Wehe, du gehst mit Julian in die Sauna, Linna. Wehe …« Es soll eine Drohung sein, doch es klingt wie ein Flehen.
»Glaubst du, ich falle über ihn her? Was denkst du eigentlich von mir?«
»Ach, jetzt spiel nicht die Unschuldige! Du lässt doch keine Gelegenheit aus!«, ereifert sich Maggie und verlagert den Eisbeutel in den Nacken.
»Ich will nichts von Jules. Ich wollte nie etwas von ihm.«
Sie schüttelt nur den Kopf. Sie glaubt mir nicht. Es ist zum Verrücktwerden.
»Jedes Mädchen wollte was von Jules …« Nun klingt sie aufrichtig kläglich. Scheint eine schwere Bürde zu sein, mit Mr Hollywood die Ehe einzugehen.
»Ich nicht.« Ich frage mich ja sogar selbst, warum ich nie in Versuchung kam. Jules war ein verflucht gut aussehender Kerl. Ich habe ihn auch gerne in meine Nähe gelassen. Manchmal sind wir eingehakt herumgelaufen, hin und wieder habe ich mich an ihn gelehnt. Er hatte diese Angewohnheit, mich hinterntätschelnd zu begrüßen, und eines Nachts bin ich auf der Rückfahrt eines besonders anstrengenden Auftritts im Auto eingedämmert, und als ich wieder wach wurde, lag mein Kopf in seinem Schoß. Das, was wir teilten, war mehr als eine ganz normale Freundschaft und trotzdem hat es nie zwischen uns gefunkt. »Außerdem hat Jules vielleicht auch noch ein Wort mitzureden, mit wem er in die Sauna geht und mit wem nicht«, setze ich hinterher. Wenn sie mir schon nicht traut, sollte sie wenigstens ihrem Gatten trauen.
Maggie reagiert nicht. Ihr Blick ist fern geworden, trotz ihrer Schmerzen denkt sie angestrengt über etwas nach, hat mich fast vergessen. Ich lasse sie besser in Frieden. Die Jungs haben schon wieder verdrängt, dass sie leise sein sollen, deshalb schiebe ich die Tür zwischen Flur und Stube zu und gehe zur Badestube. Ja, sie machen sich am Saunaofen zu schaffen. Simon liest weiterhin laut die Anleitung vor, die Falk nicht ansatzweise interessiert, denn er tut gerade etwas völlig anderes, als Simon vorträgt. Jules putzt sich lautstark seine triefende Nase, Tobi liegt Probe. Ein bisschen erinnern sie mich an die sieben Zwerge mit ihren hochroten Nasen und den verschneiten Mützen auf dem Kopf.
Mit den Händen in den Hosentaschen schaue ich mich im Flur um. Gestern habe ich die Treppe hinauf zum Dachboden gar nicht registriert. Sie ist halsbrecherisch steil; in angetrunkenem Zustand sollte man sie besser nicht betreten. Umso erstaunter bin ich, als ich das Obergeschoss erreiche. Ein großer, spartanisch eingerichteter Raum erstreckt sich vor mir, ausgelegt mit Tierfellen und etlichen rot gemusterten Teppichen. Die weiß getünchten Wände sind kahl geblieben, doch die schweren Balken des Dachstuhls wurden ebenholzfarben gestrichen, sodass sie sich in einem auffällig starken Kontrast von der Wand abheben und dem Raum eine fast sakrale Optik verleihen.
Die Akustik hier drin muss eine mittlere Katastrophe sein, aber es ist ein Ambiente, in dem man kreativ sein kann, weil es nichts gibt, was einen ablenkt. An der linken kurzen Seite hängt ein riesiger Gong, ein Zugeständnis an die eigentliche Bestimmung dieser Hütte – Meditation und Selbstfindung –, und er will so gar nicht zu dem modernen Flipchart passen, der noch darauf wartet, beschrieben zu werden. Auf der anderen Seite des Zimmers steht ein kleiner, moderner Bullerofen.
»Oje«, flüstere ich, als ich unser armseliges Band-Equipment betrachte. Von einem Probenraum kann man hier nur mit viel gutem Willen sprechen. Das »Schlagzeug«, von dem Tobi getönt hat, besteht lediglich aus einem karg ausgerüsteten Set Drums – etwas anderes würde diesen Dachboden auch zum Einstürzen bringen – und diversen exotischen Trömmelchen; des Weiteren gibt es eine batteriebetriebene MP3-Anlage mit zwei hohen Boxen, Verstärker für Bass und Gitarre und einen Mikroständer. Ich rühre ihn nicht an. Ich habe nicht das Gefühl, das Recht dazu zu haben. Außerdem ist nichts davon angeschlossen. Einen Stromgenerator kann ich nicht finden; vielleicht war auch diese Verkündung Tobis nur heiße Luft. Maggie muss am Boden
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