Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Linna singt

Linna singt

Titel: Linna singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
Vom Netzwerk:
loszulassen. Natürlich verstellte jeder nach Lust und Laune seine Stimme, dennoch war ich der Auffassung gewesen, es sei ein Leichtes zu erraten, wem sie gehörte. Aber die Fehlerquote war immens hoch, der Spaßfaktor ebenfalls. Außerdem war es eine vortreffliche Gelegenheit für Maggie, mal auf dem Schoß eines Jungen zu sitzen. Deshalb betrieb sie dieses Spiel mit echter Hingabe.
    »›Hänschen, piep einmal‹ für Erwachsene?«, fragt Falk ironisch und setzt sich auf.
    »Nein, nein.« Simon hebt die Hände, eine Geste der Beschwichtigung, der jegliche Autorität fehlt. »Wir sollten aus gestern Abend lernen. Ich hab gerade laut und deutlich gesagt, dass wir keine Spiele mehr …«
    »Aber das ist doch was völlig anderes«, kräht Tobi, mal wieder Feuer und Flamme. »Hier geht’s nicht um blöde Fragen und es gibt auch keine Strafen. Es geht nur um Spaß!«
    Und ums Fummeln, vollende ich seine Argumente in Gedanken. Was er in der Sauna nicht durfte, kann er nun nachholen.
    »Ich mache da nicht mit. Auf keinen Fall. Leute, bleibt vernünftig!« Simon verleiht jeder einzelnen Silbe Nachdruck, wie ein Politiker bei einer Rede vor dem Bundestag, und erwartet, dass wir ihm beipflichten und uns ein Beispiel an ihm nehmen. Aber niemand achtet mehr auf ihn. Maggie hat ihm sogar den Rücken zugewandt.
    »Was haltet ihr davon? Es werden zwei Leute ausgesucht; einer muss den anderen durch Tasten erraten. Was meint ihr?« Tobi schaut erwartungsfroh in die Runde.
    Nein. Nein, das will ich nicht. Wenn ich Pech habe, werde ich als Opfer ausgelost und muss es ertragen, dass einer der anderen mich nach Lust und Laune befingert, während alle neugierig zuschauen.
    »Wir sind nur zu sechst beziehungsweise zu fünft, wenn Simon nicht mitmacht. Da gibt es nicht viele Varianten, und wir wissen, wie wir aussehen«, wende ich ein. »Das ist eine Sache von wenigen Sekunden, bis wir uns erkennen.«
    »Nicht unbedingt«, erwidert Maggie nachdenklich. »Kennt ihr den Film Nackt 7 . Von Doris Dörrie? Mit Heike Makatsch und Jürgen Vogel? Da machen die so was Ähnliches. Drei befreundete Paare versuchen, sich gegenseitig zu ertasten, und sie erkennen sich nicht sofort. Im Gegenteil!«
    Ich habe von dem Film gehört, angeschaut habe ich ihn nicht, zumindest kann ich mich nicht daran erinnern. Und wir haben nur ein Paar, nicht drei.
    »Wenn man nichts sieht und nur die Finger zum Ertasten hat, ist das gar nicht so einfach«, redet Maggie weiter. »Wir können es ja mal ausprobieren …«
    Irgendetwas ist hier doch faul. Maggies Eifer stimmt mich misstrauisch. Erst hat sie Panik, ich würde mich mit Jules in die Sauna setzen, und nun schlägt sie ein Spiel vor, bei dem wir uns gegenseitig in aller Ruhe betatschen sollen? Ich weiß nicht, was die anderen miteinander besprochen haben, als ich nicht da war. Simons Appell kann eine Luftnummer gewesen sein, um mich in Sicherheit zu wiegen, und sie wollen über dieses Spiel herausfinden, ob ich gestern gelogen habe oder nicht … Aber wie sollte das funktionieren? Indem ich Falk erraten soll oder umgekehrt? Wenn einer von uns den anderen nicht erkennt, ist das dann für sie der Beweis, dass ich gelogen habe? Das kommt mir schon fast zu verdreht und konstruiert vor und Falk würde sich für eine solche Retourkutsche niemals hergeben. Oder ist er ebenso ahnungslos wie ich?
    »Ich mache nicht mit. Auf keinen Fall. Nein«, blökt Simon erneut. »Das könnt ihr vergessen. Ohne mich.«
    »Du kannst ja wieder das Amt des Zeremonienmeisters übernehmen«, biete ich ihm an, in der Hoffnung, dass die anderen dann von ihrer Idee ablassen. »Sollte es ausarten, hackst du einfach einem von uns den Kopf ab.«
    Simons Lippen werden so dünn, dass sie wie ein gemalter Strich aussehen. »Ihr hättet keinen Rum in den Tee gießen sollen. Wir müssen einen kühlen Kopf bewahren. Wir sind eingeschneit! Und ich habe heute Morgen schon gesagt, dass es besser ist, Hilfe zu rufen und uns abholen zu lassen!«
    »Ja, und wir haben gemeinsam beschlossen hierzubleiben. Jetzt mach dir nicht in die Hosen, Simon. Wir haben doch alles, was wir brauchen!«, ereifert sich Maggie. Simon brummelt etwas Unverständliches in sich hinein.
    Sie haben also ohne mich darüber geredet, ob wir bleiben oder uns abholen lassen sollen. Meine Stimme scheint hier nicht zu zählen. Ich bin nur gut genug, mit bloßen Händen Schnee wegzuschaufeln. Bedankt hat sich dafür niemand. Tee mit Rum wurde mir auch nicht angeboten, aber er erklärt Maggies

Weitere Kostenlose Bücher