Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Linna singt

Linna singt

Titel: Linna singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
Vom Netzwerk:
plötzlichen Übermut. Fragend schaue ich auf die Kanne und sofort schiebt Tobias einen randvollen Becher in meine Richtung. Doch ich lasse ihn auf dem Boden stehen, ohne ihn anzurühren; einen Schwips kann ich mir in dieser Situation nicht leisten.
    »Gibt es denn einen Freiwilligen, der den Anfang macht und raten will?«, ignoriert Maggie Simons Bedenken.
    Ein Freiwilliger, der raten will? Er wird nicht ausgelost? Offenbar lassen sie sich nicht von ihrem Plan abbringen, aber vielleicht entgehe ich auf diese Weise wenigstens der Möglichkeit, selbst das Hänschen zu spielen und Opfer zu sein. Mein Arm wandert ein bisschen zu schnell nach oben, doch ich möchte mich melden, bevor es einer der anderen tun kann.
    »Okay, Linna. Warum wundert mich das nicht?«, spöttelt Maggie und wickelt sich ihren schwarzen Jerseyschal vom Hals. Sie will das tatsächlich durchziehen! Hat sie gar keine Angst, ich könne Jules erwischen?
    »Linna, gehst du einen Moment nach draußen, während wir auslosen, wen du erraten sollst?«
    Ich zucke nur mit den Schultern und lasse mich von Simon vor die Tür begleiten, während Maggie die Musik im Raum so laut aufdreht, dass wir die Stimmen der anderen nicht mehr hören können.
    »Hecken die was aus?«
    »Ich weiß es nicht!« Simons Empörung klingt glaubwürdig. »Ehrlich, Linna, und ich finde es auch nicht gut … ich mag solche Spiele nicht … immer geht es um Sex …«
    »Aber es geht doch gar nicht um Sex«, widerspreche ich ohne rechte Überzeugung. »Es geht darum, ob man sich gegenseitig im Stockdunkeln erkennt. Das dürfte nicht schwierig werden. Ich brauche nur in die Haare zu fassen – sind sie lang, weiß ich zumindest, dass mein Gegenüber weder Jules noch Tobi ist, und Maggie und Falk werde ich ja wohl voneinander unterscheiden können, meinst du nicht?« Genau so werde ich es handhaben. Damit es schneller vorbei ist, als Spannung aufkommen kann, und niemand Lust auf eine zweite Runde hat. Falls Falk vor mir sitzt, wäre das Spiel vorüber, bevor es angefangen hätte, denn Maggie hat zwar ebenfalls Locken, aber keine Koteletten. Selbst ohne den Griff in die Haare ist es denkbar einfach. Jules trug eben ein Hemd mit Weste, Falk einen Zip-Pullover aus grobem Strick und Simon einen Fleecepulli. Nach ein paar Sekunden wird es vorüber sein.
    »Warum können wir nicht normale Sachen machen? Skat spielen oder lesen oder …« Simon fällt selbst nichts mehr ein. »Ich hab kein gutes Gefühl dabei.«
    »Jetzt mach dich nicht verrückt, was soll denn schon passieren?« Plötzlich geht es mir wie Maggie; je stärker Simon an meine Vernunft appelliert, desto weniger habe ich Lust, ihm beizupflichten. Trotzdem wird mir mulmig zumute. Was besprechen die da drinnen nur so lange?
    Simon beißt nervös auf seinen Fingernägeln herum, bis die Türklinke heruntergedrückt und Maggies Schal zu uns durchgereicht wird. Simon nimmt ihn entgegen und sieht mich verunsichert an.
    »Soll ich wirklich …«
    »Ja, nun mach schon. Ist doch gleich wieder vorbei.« Ich stelle mich mit dem Rücken zu ihm, damit er die Enden des Schals fest an meinem Hinterkopf verknoten kann. Er erledigt seine Aufgabe ordentlich und gewissenhaft wie immer. Ich sehe nichts mehr. Natürlich könnte ich mogeln und den Schal verschieben, sodass ich wenigstens ein paar Blicke erhaschen kann, aber das will ich gar nicht. Ich möchte nicht wissen, wer mich erwartet. Es soll ein unschuldiges Spiel bleiben, von meiner Seite, wenn schon nicht von der Seite der anderen.
    »Bist du so weit, Linna?« Maggie klingt nicht mehr ganz so fröhlich und unbeschwert, doch noch immer fest entschlossen.
    »Ja.«
    An dem Luftzug auf meiner Wange spüre ich, dass die Tür aufgeht, dann nimmt mich jemand bei der Hand und führt mich nach drinnen. Ich kann nicht sagen, ob es Simon oder einer der anderen ist, obwohl er eben direkt neben mir stand, so orientierungslos bin ich bereits.
    »Wir müssen dir vorher ein paar Dinge erklären, nur ein paar Regeln, sonst funktioniert es nicht.« Wackelt Maggies Stimme oder bilde ich mir das nur ein? Vor unterdrücktem Lachen? Vor Aufregung? Ist sie etwa selbst als mein Gegenüber ausgelost worden?
    »Wir haben mich aus dem Spiel rausgenommen, das wäre zu einfach, du weißt schon, warum …«
    Ja, klar. Sobald ich Brüste fühle, können es die Jungs nicht mehr sein. Aber ich habe immer noch meine anderen Anhaltspunkte. Haare und Kleidung.
    »Du darfst nur das Gesicht und den Oberkörper ertasten. Nicht die

Weitere Kostenlose Bücher