Lippels Traum (German Edition)
Jeschke jetzt vielleicht ein schlechtes Bild von seiner Mutter haben könnte, setzte er schnell hinzu: »Dafür kann sie aber unsere Zentralheizung entlüften!«
»Nun, das ist auch was wert«, meinte Frau Jeschke und sie nahmen sich beide noch einmal Nachtisch.
Von da an besuchte Lippel Frau Jeschke öfters. Sie freute sich jedes Mal, wenn er kam. Manchmal gab es eingemachtes Obst für ihn, manchmal Sammelpunkte. Frau Jeschke sammelte nämlich jetzt für ihn mit.
Man muss allerdings betonen, dass Lippel nicht nur wegen des Obstes und der Sammelpunkte zu ihr kam. Er mochte sie gern und unterhielt sich genauso gerne mit ihr wie sie sich mit ihm.
Mit seiner dritten Vorliebe, mit den Büchern, war das so: Weil er Bücher liebte, las er gerne. Am liebsten las er ein Buch in einem Zug durch, ohne abzusetzen.
Weil er das Lesen liebte, blieb er am Abend gern lange auf. Denn je länger man aufbleibt, desto länger kann man lesen.
Und weil er es liebte, lange aufzubleiben, liebte er den Verschlag unter der Treppe im ersten Stock. Das war Lippels Versteck.
Familie Mattenheim wohnte in einem Einfamilienhaus, in dem schon Lippels Großeltern gewohnt hatten, bevor sie nach Australien ausgewandert waren.
Lippels Zimmer lag im ersten Stock, gleich gegenüber der Treppe. Dummerweise hatte die Tür zu seinem Zimmer oben eine schmale Milchglasscheibe. So konnten seine Eltern immer sehen, ob bei ihm Licht brannte oder nicht. Sie mussten dazu nicht einmal die Treppe hochsteigen. Man sah es schon, wenn man unten im Flur stand.
Und wenn Lippel gerade beschlossen hatte, nach dem Zubettgehen noch ein Stündchen oder zwei zu lesen, kam bestimmt keine Viertelstunde später seine Mutter ins Zimmer und sagte: »Lippel, Lippel, Lippel! Hast du wieder das Licht an! Jetzt wird aber endlich geschlafen, schließlich hast du morgen Schule!«
Dann fuhr sie ihm noch einmal durchs Haar, wartete, bis er das Buch unters Bett geschoben hatte, knipste das Licht aus und ging wieder nach unten.
Eine Zeit lang hatte Lippel versucht mit der Taschenlampe unter der Bettdecke zu lesen. Aber das war unbequem und umständlich: Man musste in der einen Hand das Buch und in der anderen die Taschenlampe halten, und wenn man die Seite zu Ende gelesen hatte, hatte man keine Hand frei, um umzublättern.
Deshalb war Lippel schließlich auf den Verschlag gekommen. Das war so eine Art Wandschrank mit schräger Decke, den Lippels Vater unter der Treppe zum Dachboden eingebaut hatte. Dort wurde alles aufbewahrt, was sonst nur im Weg stehen würde: Dosen mit Ölfarbe oder mit Salzgurken, leere Kartons und volle Limonadenkästen.
Es gab im Verschlag auch Licht. Und irgendwann, als Lippel nach dem Zubettgehen noch einmal aufgestanden war, um aufs Klo zu gehen (natürlich mit einem Buch unter dem Arm), war er auf dem Rückweg nicht nach rechts in sein Zimmer gegangen, sondern nach links geschlichen, hatte leise die Tür zum Verschlag geöffnet und das Licht angeknipst. Dann hatte er sich auf sein altes, zusammengerolltes Schlauchboot gesetzt, das hier auf den Sommer wartete, hatte die Tür von innen zugezogen und angefangen zu lesen.
Später am Abend hörte er, wie Vater unten aus dem Wohnzimmer kam, halblaut zu Mutter sagte: »Alles dunkel bei Lippel. Er schläft!«, und wieder ins Wohnzimmer zurückging.
Von da an verbrachte Lippel viele gemütliche Abende in seinem Versteck, las und trank zwischendurch manche Flasche Limonade leer. (Der Limonadenkasten stand gleich neben dem Schlauchboot. Lippel musste nicht einmal aufstehn, wenn er sich bedienen wollte.)
Er schaffte es auch jedes Mal, wieder im Bett zu liegen, bevor seine Eltern schlafen gingen. Denn dann schauten sie meistens noch einmal leise in sein Zimmer.
So war sein Versteck bis jetzt noch unentdeckt geblieben.
Nur Lippels Vater wunderte sich manchmal, weil er alle fünf Tage einen neuen Kasten Limonade kaufen musste, und sagte: »Irgendetwas geht da nicht mit rechten Dingen zu!«
Reisepläne
Genau zu der Zeit, von der bis jetzt die Rede war – als das Wetter verrückt spielte, Lippel schon fast achtzig Punkte gesammelt hatte (dreiundsiebzig, genau gesagt) und er das Versteck unter der Treppe entdeckte –, genau zu dieser Zeit also stellten Lippels Eltern fest, dass es ihnen großen Spaß machen würde, Lippel eine Woche lang mutterseelenallein zu lassen. Und deshalb beschlossen sie schnell, ohne ihn nach Wien zu fahren.
So jedenfalls stellte es Lippel immer hin, wenn er mit seinen Eltern darüber
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