Lippels Traum (German Edition)
fehlte! Lippel legte das neue Buch beiseite. Es machte ihm keinen Spaß mehr. Er setzte sich in einen Sessel und starrte niedergeschlagen vor sich hin.
»Was ist denn plötzlich los? Haben wir etwas Falsches gesagt? Bist du beleidigt?«, fragte Mutter ratlos.
»Was hast du denn auf einmal?«, fragte auch Vater.
»Ich kann es mir schon denken«, sagte Frau Jeschke. »Das Buch hat ihn an seinen Fortsetzungstraum erinnert. Ist es nicht so, Lippel?«
Lippel nickte.
»Fortsetzungstraum? Was bedeutet das?«, fragte Mutter. »Sag doch!«
Und Lippel fing noch einmal an zu erzählen: von Mutters Buch, dem Anfang der Geschichte und wie er dann weiterträumte, von Prinz Asslam und Prinzessin Hamide, von der morgenländischen Stadt, vom Palast, der Herberge, bis hin zum Ende seines letzten Traums.
»Und jetzt weiß ich nicht, wie die Geschichte ausgeht«, sagte er unglücklich. »Dabei fehlt mir wirklich nur der allerletzte Schluss! Ich muss noch vor den König gebracht werden. Ich meine: nicht ich, sondern der Traum-Lippel. Ihr versteht schon!«
»Ja, ja«, sagte Mutter. Sie überlegte eine Weile.
Schließlich sagte sie: »Ich glaube, ich weiß, wie die Geschichte ausgeht!«
»Woher weißt du das? Hast du sie schon mal gehört? Oder irgendwo gelesen?«, fragte Lippel aufgeregt.
»Das ist doch egal«, sagte Mutter. »Hauptsache, ich weiß, wie alles endet!«
»Ja, das stimmt«, bestätigte Lippel.
Und Mutter erzählte:
Das Ende der Geschichte
ippel, der Gefangene, wurde in den Palast geführt. Die Wächter, die ihm die Hände gebunden hatten, gaben ihn an die Hofwächter weiter, denn sie durften die königlichen Gemächer nicht betreten. Die Hofwächter reichten ihn an die Oberhofwächter wei-ter und die schließlich lieferten ihn bei der Leibwache des Königs ab.
Der Anführer der Leibwächter fragte streng: »Wer bist du und was willst du?«
Lippel sagte: »Ich bin Lippel. Wieso fragst du, was ich will? Schließlich hat man mich gewaltsam hierhergebracht. Aber du darfst mich zum König bringen!«
»So, darf ich das?«, fragte der oberste Leibwächter zornig. »Dir werden deine Witze schon vergehen, wenn du vor dem König stehst!«
Der König hatte seine Gemächer wieder verlassen und saß im Thronsaal, als Lippel hineingeführt wurde.
Der Leibwächter staunte nicht schlecht, als der König gleich befahl: »Löst seine Stricke! Bringt ihm ein weiches Sitzpolster, ein großes Glas Feigensaft und eine Schale mit Obst!«
»Danke schön«, sagte Lippel und setzte sich. »Wenn ich um etwas bitten darf, dann hätte ich lieber einen Jogurt als Feigensaft.«
»Habt ihr gehört?«, rief der König sofort seinen Dienern zu. »Besorgt ihm den besten Jogurt aus dem königlichen Eisschrank!« Dann wandte er sich an Lippel und forderte ihn auf, ihm alles zu berichten.
Lippel erzählte ihm von der Niedertracht der Tante, von seiner Flucht im Sandsturm, von den drei Wächtern und vom Versteck in der Herberge, von der dicken Wirtin und von seiner Gefangennahme.
Der König hörte zu und nickte manchmal. Es war, als wollte er sich nur bestätigen lassen, was er schon längst wusste. Die Diener und Leibwächter, die auch der Geschichte lauschten, konnten ihren Zorn kaum zügeln.
»Gestatte mir, mein König, dass ich die drei ungetreuen Wächter auf der Stelle festnehme!«, rief der Anführer der Leibwache aufgebracht. »Sie könnten sonst fliehen.«
»Nimm die drei gefangen und lass sie ins Gefängnis werfen!«, befahl der König. »Holt sofort die Wirtin aus der Herberge zum Wilden Kalifen! Und bittet die Witwe meines Bruders in den Thronsaal! Verratet niemandem, was ihr hier gehört habt.«
Es dauerte eine Weile, bis alles geschehen war. Inzwischen hatte man auch Lippels Jogurt hereingebracht. Er schmeckte zwar nicht schlecht, aber Lippel fand es wirklich unnötig, dass der Jogurtbecher aus purem Gold war. Einer mit Sammelpunkt hätte ihm besser gefallen.
Zuerst führte man die dicke Wirtin herein. Sie war schrecklich aufgeregt. Schließlich hatte sie mitgeholfen, als Lippel einen Palastwächter verhöhnt hatte! Aber als sie Lippel frei und fröhlich vor dem König sitzen sah, legte sich ihre Angst ein bisschen.
Der König rief sie zu sich. »Ihr habt ein gutes Herz, ehrenwerte Frau«, sagte er. »Und Ihr habt meine Kinder gerettet. Das werde ich Euch nie vergessen. Ich werde Euch reich belohnen. Setzt Euch einstweilen dort auf jenes Kissen und seht zu, wie die Gerechtigkeit ihren Lauf nimmt!«
Jetzt kam die Tante
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