Lipstick
mit Greta verwandt?« fragte sie lächelnd. Sie hatte schöne ebenmäßige Zähne, einen makellosen olivfarbenen Teint, genauso graugrüne Augen wie ihr Mann und außergewöhnlich zarte Hände, um die ich sie auf der Stelle beneidete. Jetzt empfand ich es um so mehr als Frecheit, wie dieser Jan mich mit seinen Lipstick-Platitüden umgarnt hatte.
Nachdem ich Jans Frau freundlich und mühsam beherrscht über meine Beziehung zu Greta aufgeklärt hatte, entspann sich zwischen uns eine lockere Plauderei, die weniger oberflächlich und weniger künstlich war als die mit ihrem Mann. Sie fragte mich nach meiner Arbeit, war ernsthaft interessiert und erzählte, daß sie seit nunmehr sieben Jahren Hausfrau und Mutter sei, was sie einerseits sehr bedauere – früher sei sie Bibliothekarin gewesen –, andererseits sehr schön finde, da sie die Kinder ganz bewußt erlebe. Jan stand daneben und wirkte wie ein Statist in einem Film, den er verabscheute. Sein ganzes Charisma war plötzlich dahin, er kam mir fast linkisch vor, wie er hin und wieder versuchte, ein paar Brocken ins Gespräch zu werfen.
Katharina wurde mir dabei von Sekunde zu Sekunde sympathischer. Sie war so etwas wie ein Typ »beste Freundin« – ich hätte mir vorstellen können, nächtelang mit ihr in irgendwelchen Kneipen herumzuhängen und zu quatschen –, und ich revidierte ganz schnell meine anfängliche Meinung, Katharinas Auftreten könne nur aufgesetzt sein, eine perfekt inszenierte Show, um ihren Mann zu kontrollieren.
Zum Glück hatte Katharinas Auftauchen den Effekt, daß ich michSchritt für Schritt von Jan entfernte. Ich sah ihn plötzlich nicht mehr als erotischen Mann, sondern als Familienvater, als Ehemann einer so liebenswürdigen Frau, daß ich mich schwertun würde, ihn mir für bestimmte Zwecke auszuleihen.
Gegen elf brach ich auf, zufrieden wie ein sattes Baby. Ich küßte Greta, reichte Katharina und Jan die Hand und war, als ich ins Taxi stieg, heilfroh, noch mal die Kurve gekriegt zu haben. Statt mich in einen Mann wie Jan zu verlieben, nahm ich mir vor, ein bißchen eine Frau wie Katharina zu werden.
Der Kaffee am nächsten Morgen war alles andere als erotisch.
Tom kam einfach zwei Bols balancierend in mein Zimmer, was ich allerdings erst bemerkte, als er sein ganzes Gewicht auf meinem Bett ablud.
Ich war im ersten Moment so verwirrt, daß ich überhaupt nicht wußte, was los war. Gemeinsamer Sommerurlaub in Griechenland? Es schien mir Ewigkeiten her zu sein, daß Tom mir Kaffee ans Bett gebracht hatte.
Als mir schließlich einfiel, daß gestern gestern gewesen war, ein Tag mit zwei oder auch drei denkwürdigen Begegnungen, erinnerte ich mich auch an den Rest: daß mir das Leben innerhalb kürzester Zeit die seltsamsten Geschichten aufhalste und daß ich im übrigen nicht die geringste Lust hatte, mich auf ein Tohuwabohu – welcher Art auch immer – einzulassen.
»Ich muß an den Schreibtisch!« fauchte ich Tom an und drückte ihm die weiße Milchkaffeeschale in die Hand, damit ich die Decke zurückschlagen konnte
»Schlecht geträumt?«
»Im Gegenteil. Bestens.«
Ich stellte den Videorecorder an und schob die Kassette rein. Normalerweise arbeitete ich weder im Schlafanzug noch ungeduscht, aber ich verspürte plötzlich das ganz dringende Bedürfnis, mich um Amandas und Jaky-Boys Wohlergehen zu kümmern.
»Wie war’s bei Greta?« fragte Tom, woraufhin ich nur nickte und zu spulen anfing. Ein Schwarm kleiner bunter Fische zog derart rasant durch meinen Kopf, daß mir schwindelig wurde.
»Okay, dann überlasse ich dich mal deiner Arbeit.«
Tom stellte mir die Kaffeeschale hin, sah mich besorgt an und verschwand mit den Worten, er werde jetzt eine Runde bügeln.
Ich warf einen Blick nach draußen: immer noch dieser bullenheiße Sommer. Knallblauer Himmel, nicht das geringste Lüftchen.
Der Kaffee sorgte wenigstens dafür, daß sich die Fischchen in meinem Kopf verzogen und ich mich auf meine Dialoge konzentrieren konnte. Ich arbeitete zweieinhalb Stunden, dann fühlte ich mich derart verschwitzt, geradezu unappetitlich, daß ich unbedingt unter die Dusche mußte. Ohne daß ich Tom sehen oder hören konnte, spürte ich ihn in der Wohnung, und es war mir noch nicht mal unangenehm. Wie ein netter Schatten hielt er sich irgendwo dezent im Hintergrund auf, und hätte ich ihn gerufen, wäre er sofort anmarschiert gekommen, um frischen Kaffee zu kochen, mir den Nacken zu massieren oder meinen Schlafanzug zusammenzufalten.
Als
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