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Lipstick

Lipstick

Titel: Lipstick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fuelscher
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sagte Greta kühl. »Jeder ist für sein Glück selbst verantwortlich.«
    Ich sah sie an. Von einer Sekunde zur nächsten wirkte sie verhärmt und um Jahre gealtert. Wie war das denn mit ihr? Warum tat sie sich diesen Micha an?
    Greta zwang sich zu einem Lächeln und antwortete brav, ohne daß ich sie danach gefragt hätte: »Falls du gerade etwas Bestimmtes denkst … Ich habe mich nun mal entschieden. Und Mäxchen geht eben vor.«
    Fünf Minuten später waren wir unten. Ich dackelte hinter Greta her, wich keinen Millimeter von ihrer Seite. Du bist ganz cool, sagte ich mir, es besteht überhaupt kein Grund, nervös zu werden, du kennst ihn nicht, er kennt dich nicht, du hast in den letztenzweiTagen mit zwei verschiedenen Männern geschlafen, und er ist verheiratet.
    Jan stand in einiger Entfernung und rauchte einen Zigarillo. Vermutlich hatte er schöne Hände. Männer wie er hatten immer schöne und gepflegte Hände – ein beinahe ungeschriebenes Gesetz.
    Okay, trinke ich eben einen Kaffee, dachte ich mir mit ein, zwei zappelnden Flußkrebsschwänzen im Magen, und dann ging alles schneller, als ich es eigentlich begreifen konnte.
    Ich spürte einen leichten Zug im Nacken und drehte mich automatisch um. Greta stand vor mir; ein seltsam starres Lächeln lag auf ihren Lippen.
    »Kaffee?«
    »Unbedingt«, sagte ich und nahm im selben Moment eine Wolke aus Schweiß und Aftershave wahr. Ich drehte mich noch einmal um fünfundvierzig Grad.
    »Bitte, die Damen!« Es klang beinahe schleimig, und da ich ihm nur in die Augen gesehen hatte, merkte ich erst mit einiger Verzögerung, daß er Greta und mir jeweils eine geblümte Mokkatasse hinhielt. Ich nahm meine in Empfang, bedankte mich und hoffte, daß das eine Wort halbwegs normal geklungen hatte.
    Greta stellte uns einander vor – endlich –, machte sich dann aber unverschämterweise mit der Begründung, sie müsse noch mal kurz nach Mäxchen sehen, aus dem Staub.
    »Oder möchten Sie lieber einen Kaffee mit Milch?«
    Das war der erste Satz, den er mir zu Ehren produziert und in voller Länge ausgesprochen hatte.
    »Danke, nein«, sagte ich und verstand nicht, warum ich nichts anderes im Kopf hatte als den Wunsch, auf der Stelle mit ihm zu vögeln. Ein Alptraum mit dem gewissen Etwas eines Horrortrips – wieso hatte sich meine Kotzeritis von heute morgen nicht ein wenig in die Länge ziehen können? Die Ehefrau stand etwa einen Meter entfernt, sah aber zum Glück nicht zu uns rüber.
    »Wissen Sie, wo es den besten Espresso gibt?« fragte er jetzt. Für den Bruchteil einer Sekunde tauchte seine Zungenspitze zwischen seinen bläßlichen Lippen auf.
    Angeber, dachte ich. Angeber mit schönen Augen – weder grau noch grün, noch braun –, einer kleinen Narbe auf der Stirn und hellem Bartschatten, und natürlich wußte ich nicht, wo es den besten Espresso gab.
    »Innerhalb Deutschlands?«
    »Europa.«
    Ich schüttelte den Kopf und hoffte, ich würde ihn hassen können.
    »In Lissabon. In der ›A Brasileira‹.«
    Eigentlich brachte er das nicht in einer aufgeblasenen Art hervor, eher, als sei er Kandidat in einer Quizsendung und habe gerade eine besonders kniffelige Frage beantwortet. Nach und nach kehrte mein Verstand zurück, und ich konterte mit der Frage, ob er denn wisse, wo es die besten Pommes gebe.
    Jan lachte und antwortete wie aus der Pistole geschossen: »Bei ›McDonald’s‹«, woraufhin ich sagte, da liege er gar nicht so falsch, aber die allerbesten Pommes gebe es in dem Imbiß an der Holstenstraße in Altona.
    »Woher wissen Sie das? Haben Sie jeden Imbiß der Stadt durchprobiert?«
    »Natürlich. Ich gebe mich nicht mit halben Sachen zufrieden.«
    Jan machte eine Pause und versenkte sich in meine Augen. »Woher kommen Sie?« fragte er dann vollkommen ernst.
    Da ich nicht wußte, wie er das meinte, sagte ich einfach, ich sei in Berlin geboren und lebte seit nunmehr acht Jahren in Hamburg.
    »Berlin? Ich hätte Sie mir eher irgendwo als Ostfriesenbaby vorgestellt.« Er beugte sich unmerklich vor, so daß ich ihn noch stärker roch und mich nicht entscheiden konnte, ob ich seine Körperausdünstungen ziemlich scharf oder einfach nur widerlich finden sollte und ob es überhaupt Sinn machte, eine kluge Antwort auf eine relativ einfältige Bemerkung zu geben.
    »Ach ja?« sagte ich nur und trank meinen Kaffee in kleinen, schnellen Zügen. Ich konnte mir ein arrogantes Augenbrauenhochziehen leisten, sah ich mich doch auf einmal oben auf der Welle schwimmen.

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