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Lipstick

Lipstick

Titel: Lipstick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fuelscher
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Verkniffenheit von heute morgen abgelegt. Göttin in Blond, dachte ich und glaubte mich einen Moment lang so sehen zu können, wie andere es vermutlich taten. Trotzdem würde ich es nicht ohne weiteres schaffen, wieder ins Wohnzimmer zurückzukehren. Dieser Mann da … Seine Frau … Ich zog den Schlüssel von innen ab und versuchte durchs Schlüsselloch zu erkennen, ob die Luft rein war. Nichts wäre schlimmer, als diesem Jan hier und in dieser Sekunde zu begegnen. Niemand zu sehen. Leise schloß ich auf und huschte wie ein Gespenst die Treppe rauf.
    Greta wiegte ihr Mäxchen so konzentriert und selbstvergessen im Arm, daß es mir einen kleinen Stich gab. Ich blieb in der Tür stehen, wollte das Stilleben in Schwarz-Bleu mit saurem Lätzchengeruch nicht stören.
    »Kannst ruhig reinkommen.« Greta drehte sich um. »Der Herr von und zu Max wird jetzt wieder ins Bett gepackt.«
    In einer plötzlichen Anwandlung von Mutterliebe tätschelte ich Max’ Füßchen, das sich selbst durch die Strampelhose warm und feucht anfühlte.
    »Ich glaube, er brütet was aus. Er quengelt heute schon den ganzen Tag.«
    »Hoffentlich nichts Schlimmes.«
    Greta lachte. »Bestimmt nicht.«
    Vorsichtig legte sie Mäxchen ins Bett, sprach dabei ein paar beruhigende Worte. Ich bewunderte sie, wie souverän sie dieses Frotteepaket handhabte.
    »Es ist Jan, nicht?«
    Ich erstarrte, überlegte einen kurzen Moment lang, ob ich mich etwa verhört hatte. »Wie meinst du das?« fragte ich schließlich gedehnt.
    Greta drehte mir den Rücken zu und steckte Max den Schnuller in den Mund, als sie sagte: »Du siehst so verstört aus. Schätze, du hast dich verknallt.«
    Ein sehr künstliches Lachen kam aus meiner Kehle. »Du weißt, daß ich mich nie verknalle.«
    »Dann bist du eben verliebt.«
    »Das erst recht nicht«, erwiderte ich eine Spur zu aggressiv.
    Greta drehte sich jetzt um und hatte einen Gesichtsausdruck, als würde sie gleich die Arme vor ihrer Bruit verschränken und etwas in der Art wie »Mach dich doch nicht lächerlich« sagen. Sie tat es nicht, ließ statt dessen abrupt ihre Hände sinken. Hinter der Fassade ihrer leicht orientalisch geschminkten Augen sah sie müde aus.
    »Warum probierst du ihn nicht aus?«
    »Bist du wahnsinnig? Wie stellst du dir das vor? Ich kriege es nicht mal fertig, wieder nach unten zu gehen!«
    »Also habe ich doch recht.« Greta sprach leise, weil wir mittlerweile im Flur standen – es hätte uns ja jemand hören können.
    »Du hast überhaupt nicht recht!« sagte ich trotzig und war mir durchaus der Lächerlichkeit dieser Bemerkung bewußt.
    Ohne daß ich mich hätte wehren können, schob Greta mich zurück ins Schlafzimmer und zog die Tür hinter uns zu. »Du kannst mir nichts vormachen.« Sie lachte ihr altes Freundinnenlachen, für das ich sie so liebte.
    Ich zierte mich noch eine Weile, gestand ihr dann, daß mich der Typ leider und irgendwie durcheinandergebracht hatte – warum auch immer.
    Greta seufzte. »Keine Ahnung, wieso die Frauen reihenweise auf den reinfallen. Stell dir vor! Er verkauft orthopädische Schuhe ins Ausland.«
    »Hört sich spannend an.« Ich mußte grinsen, und auch Greta fing leise an zu kichern. Dann packte ich sie unsanft am Arm. »Ich glaube, ich verschwinde jetzt. Falls jemand fragt, mir ist nicht gut.«
    »Kommt überhaupt nicht Frage! Wir gehen zusammen runter, und du unterhältst dich ganz locker mit ihm.«
    Ich wollte etwas erwidern, brachte aber nicht mehr als einen Pfeifton zustande.
    »Los. Er wird dir schon nicht dein Herz rausreißen!« Greta hatte jetzt wie die füllige Tante Polly in dem Tom-Sawyer-Film meiner Kindheit die Hände in die Hüften gestemmt und sah mich streng an.
    »Und wenn es doch passiert?«
    »Unmöglich! Du kannst dich doch nicht verlieben. Bist also rundum geschützt. Ganzkörperkondom gegen Gefühle …«
    »Haha.«
    »Na, okay. Dann sag ich dir was anderes: Verlieb dich in den Kerl, damit überhaupt mal was Anständiges in deinem Leben passiert.«
    Vielleicht hatte Greta recht, aber wollte ich mich ausgerechnet an einen verschwenden, der an jeder Hand noch zwanzig andere hatte? Außerdem fand ich ihn sowieso indiskutabel, zumal er für meine Mutation von einer fast dreißigjährigen Frau zum albernen Teenie verantwortlich war.
    Ich ließ mich aufs Bett fallen und erklärte Greta, daß ich ohnehin keinen einzigen Ton rausbringen würde. Und dann diese Ehefrau, die könne einem doch wirklich leid tun.
    »Mir tun die Menschen nicht leid«,

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