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Lipstick

Lipstick

Titel: Lipstick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fuelscher
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Oder war Jans Gefasel nur der Schachzug einesraffiniert ausgeklügelten Plans, den ich bloß nicht durchschaute?
    Er hielt seine Espressotasse hoch und sah mich über ihren Rand hinweg an. »Ich stamme aus einem Kaff in Bayern. Ruppertszell.«
    » …was man Ihnen gar nicht anhört«, setzte ich den Satz fort, weil ich wußte, daß er genau das erwartete.
    »Meine Eltern stammen aus Niedersachsen«, fuhr er lächelnd fort.
    »Und was hat Sie in das Land der Amigos verschlagen?«
    »Die Arbeit. Mein Vater war Landschaftsgärtner.«
    »War?«
    Ich sah, wie Greta schräg hinter Jan stand und auf unverschämte Art grinste. Wenn das seine Frau beobachtete – es wäre mir sehr unangenehm gewesen.
    »Er ist vor einem Jahr gestorben.«
    »Oh, das tut mir leid«, sagte ich, weil es sich so gehörte und weil seine Mundwinkel so wunderschön aussahen. Sie zeigten in einem sanften Schwung leicht nach oben, wo sie von den Nasolabialfalten aufgefangen wurden. Vermutlich starrte ich schon die ganze Zeit über auf Jans Mund, was bei ihm den Eindruck hinterlassen mußte, daß ich schielte.
    »Noch einen Mokka?«
    »Gern.«
    Er nahm mir meine Tasse aus der Hand und ging zu dem Louisquinze-Tischchen am Fenster, auf dem mehrere verchromte Warmhaltekannen und zwei Silberplatten mit Petits fours standen. Ich nutzte die Zeit und betrachtete Jan ausgiebig von hinten. Andere Attribute als schlaksig fielen mir beim besten Willen nicht ein. Keine stattliche Silhouette, kein imposanter Hintern, und trotzdem lief meine Hormonproduktion auf Hochtouren.
    Er kam zu schnell zurück, viel zu schnell, möglich, daß er mich beim Stieren ertappt hatte, aber zum Glück konnte er ja nicht Gedanken lesen. Ich griff nach meiner Tasse, bedankte mich höflich, da drückte er mir auch noch seine Tasse in die Hand und marschierte mit einem gemurmelten »Sorry« ein zweites Mal zu dem Tischchen. Diesmal warf ich einen schnellen Blick auf seineSchuhe, schlichte Halbschuhe aus glänzendem schwarzen Leder, unauffällig schön. Dann stand Jan schon wieder vor mir, und ehe ich mich versah, schob er mir eines der Petits fours zwischen die Lippen. Ich wollte protestieren, aber da hatte ich das Ding schon im Mund, wo es zuckersüß explodierte.
    »Süße Träume werden wahr«, sagte Jan grinsend und biß eine winzige Ecke von seinem quietschend rosa Teil ab.
    »Das ist unfair!« Ich war noch am Kauen, wurde rot und glaubte, daß ich mich gerade schrecklich lächerlich machte.
    »Sie sehen wunderschön aus.«
    Er sagte das einfach so in den Raum, ohne darauf zu achten, daß es irgend jemand hören könnte, steckte sich dann den Rest seines zuckrigen Teilchens in den Mund. Ich war sprachlos. Was für eine plumpe Anmache!
    »Ach …« Jan kramte in seiner Hosentasche herum und förderte etwas zu Tage, das er jedoch noch in seiner Hand versteckt hielt. »Ist das Ihr … Lipstick?« fragte er und öffnete im selben Moment seine Hand.
    Eine kleine silberfarbene Lippenstifthülse mit schwarzen Streifen lag darin. Sie kam mir ziemlich vertraut vor und bildete einen seltsamen Kontrast zu seiner stark zerfurchten Handinnenfläche.
    »Können Sie nicht deutsch reden?« entgegnete ich scharf, stellte die Mokkatassen auf dem Louis-quinze-Tisch ab, nahm ihm den Lippenstift aus der Hand und zog die Hülse ab. Es war tatsächlich mein Lippenstift. Der korallenrote für warme Sommertage und solche, an denen ich meine Stimmung aufpeppen wollte.
    Jan lächelte. Grausam überlegen. Es fiel kein Wort über unsere gemeinsame U-Bahn-Fahrt.
    »Das Wort ›Lipstick‹ paßt aber zu Ihnen. Lippenstift klingt viel zu plump, zu wenig elegant.«
    Schmeichel, schmeichel. Auf so was fiel ich schon gar nicht mehr rein.
    »Übrigens eine sehr schöne Farbe.«
    »Ja, das finde ich auch«, sagte ich und ärgerte mich darüber, daß er sich den Lippenstift offensichtlich auch noch genau angesehen hatte.
    »Heute war es eher ein bräunliches Rosé, stimmt’s?«
    Einen Moment lang war ich verunsichert, vielleicht klebten mir rosa-bräunliche Krümel in den Mundwinkeln, aber dann sagte ich mir, und wenn schon, was geht das den Kerl überhaupt an. Also zuckte ich nur betont gleichgültig die Schultern.
    Jan holte sich seine Tasse wieder, reichte mir auch meine, ohne dabei seine Augen von mir zu lassen, die plötzlich unerhört graugrün waren. Dann tauchte seine Frau neben ihm auf und blickte mich so freundlich an, als wäre es für sie der erhebendste Moment ihres Lebens, mich kennenzulernen.
    »Sind Sie

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