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Lipstick

Lipstick

Titel: Lipstick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fuelscher
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und Haut und Knochen, der sowieso früher oder später merkwürdige Gerüche absonderte?
    Wir beschlossen, einmal um den Block zu gehen, vielleicht irgendwo einen Kaffee zu trinken. Ich war mit meiner Arbeit schonso sehr in Verzug, daß es auf diese halbe Stunde auch nicht mehr ankam.
    »Und was treibst du so?« fragte ich Paul, als wir aus der Tür waren.
    »Meinst du diese Sachen, bei denen so ordinäre Körpersäfte ausgetauscht werden?«
    »Genau die. Obwohl man ja heutzutage den Großteil der Körpersäfte in winzigen Plastikbeuteln auffängt.«
    Paul lachte. »Okay: Same procedure as every year, James.«
    »Affären und Tränen, wenn sie zu Ende sind?«
    »Genau. Letztendlich erspart man sich doch viel Ärger.«
    Bei Paul war es jahrein, jahraus immer nach dem gleichen Schema abgelaufen: Erst vermied er es, sich auf eine Person festzulegen, aber wenn die jeweilige Affäre dann die Initiative ergriff und ihn verließ, fing der große Katzenjammer an. Endzeitstimmung bis zur Selbstmorddrohung – wie kam er da zu so einer absurden Behauptung?
    »Es ist immer noch leichter, den Schmerz zu ertragen, als die Sokken des Partners zu sortieren, wenn sie aus dem Wäschetrockner kommen«, sagte er, indem er seinen Blick weit in die Ferne heftete.
    »Schmerz, weil du dich doch verliebt hast?«
    »Schmerz, weil du gekränkt worden bist.«
    Wir betraten das italienische Eiscafé »Europa«, das bei mir um die Ecke lag und das selbst, wenn man beide Augen zudrückte, keine Ähnlichkeit mit einem erotischen Café hatte. Gepolsterte Bänke im praktischen Mustermix, Plastiktische und runtergezogene Styropordecken mit Kristalleuchtern im Siebziger-Jahre-Design. Trotzdem führte mich immer wieder eine Art zwangsneurotisches Appetenzverhalten in diese Eisdiele. Das sympathische italienische Personal, der hervorragende Cappuccino, mit exzellentem Guarany-Caffè zubereitet, das Klirren der Tassen, und wenn man sich hinter eines der Tischchen gequetscht hatte, gab es nur eine Möglichkeit: dem Krächzen und Spucken der Cappuccinomaschine zuzuhören und darauf zu warten, daß einem der erste von mindestens drei nachfolgenden Cappuccinos serviert wurde.
    Wir wählten einen Tisch am Fenster, wo wir den Tresen im Auge hatten. Paul grinste albern.
    »Das ist also deine Edelwelt.«
    »Das ist meine Welt. Und was du immer in mich hineininterpretierst, ist dein Problem.«
    Franca, wie immer mit orangebraun geschminkten Lidern und dikkem Lidstrich, der erst auf den Schläfen zu enden schien, brachte uns einen Cappuccino, einen Espresso und eine Flasche Wasser.
    »Ich will auch nicht gekränkt werden«, sagte ich plötzlich, ohne mir darüber im klaren zu sein, was ich eigentlich daherredete.
    »Wer kränkt dich denn? Hans ist dir verfallen, und Tom macht auch nicht gerade den Eindruck, als wolle er seinen Posten kündigen.«
    »Hat er aber schon des öfteren getan.«
    »Dann weißt du ja mit der Situation umzugehen. Was regst du dich also auf?«
    »Ich rege mich gar nicht auf!« sagte ich und regte mich im gleichen Moment derart auf, daß ich viel zu hastig trank und mir die Zunge verbrannte. Hin und wieder fiel es mir eben wie Schuppen von den Augen, daß es sicherlich das beste wäre, wenn Tom und ich in getrennten Wohnungen lebten. Aber genau das schaffte ich nicht – endlich Nägel mit Köpfen zu machen. Aus Trägheit, aus Angst, was weiß ich.
    »Und Hans?«
    »Was Hans?« Wenn Paul so weitermachte, würde sich meine Wut mitten in diesem halberotischen Café in Form eines San-Pellegrino-Schwalls in seinem Gesicht entladen. Retourkutsche von vorhin.
    »Hat er keine Chancen bei dir?«
    »Vielleicht sollte er mich das besser selbst fragen.« Augenblicklich bereute ich, was ich gesagt hatte. Im Moment stand mir nicht der Sinn nach einem Hans, der mich in eine unangenehme Situation brachte. Ich orderte einen weiteren Cappuccino. Nicht, daß ich meinen schon ausgetrunken hatte, aber ich brauchte jetzt unbedingt das beruhigende Gefühl, eine zweite Tasse vor der Nase zu haben, von der ich jederzeit nippen konnte.
    Ich sah zur Theke hinüber, wo der Barmann in Zeitlupentempo mit einer Tasse und einem Geschirrtuch hantierte und zu mir rüberlächelte. Schnell senkte ich den Kopf, o Gott, irgendwie hatte er mich an Jan erinnert. Vielleicht die Mundwinkel – oder seine Statur? Plötzlich war ich wie aufgeputscht und kein bißchen mehr wütend auf Jan. In einem Anflug von Sentimentalität dachte ich an unser Gespräch auf dem Fest, an seinen

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