Lipstick
ich gegen Mittag frisch geduscht mein Zimmer betrat, lagen vier wie von Geisterhand gebügelte Hemden auf meinem Bett. Irgend etwas ging hier vor sich, und ich fragte mich, ob es mit unserer gestrigen Episode zu tun haben könnte. Entweder bereitete Tom seinen endgültigen Abflug vor, oder diese Rita hatte sich in Luft aufgelöst, was zur Folge hatte, daß Tom sein altes Revier neu markierte. Das Dufthäufchen »Hemden« war bereits vollbracht, jetzt kamen verräterische Bratkartoffelgerüche aus der Küche.
Wenig später saßen wir dann einträchtig am Küchentisch und aßen. Sonderbarerweise fand ich es ganz in Ordnung so. Mir gefiel Toms jungenhaftes Lachen, das einfache Essen, und unsere Gegenspieler Rita, Hans und Jan waren viel zu weit weg, um überhaupt einen Gedanken an sie zu verschwenden.
So weit, so gut. Ein paar Tage lang redeten wir einfach nicht »darüber«, was Tom mit Sicherheit gefiel. Eine Frau, die ihn gehen ließ und ihn ebenso wieder mit offenen Armen empfing, war doch genau nach seinem Geschmack.
Was mich anging, betrachtete ich die Ausrutscher mit Tom und Hans tatsächlich als Ausrutscher, und Jan legte ich unter der Kategorie»teeniehafte Verfehlungen« ad acta. Ich wollte nichts als meine Ruhe. Endlich die Videokassetten abarbeiten, Unmengen von Kaffee trinken und hoffen, daß es mit meiner Seifenopernkarriere bald steil bergauf gehen würde.
Mit erotischen Cafés ist das so eine Sache.
Bei manchen mögen die Grundvoraussetzungen stimmen, und dennoch kommt man nicht auf seine Kosten. Man schüttet sich einen Kaffee nach dem anderen rein – und trotzdem, der gewisse Kick bleibt aus. Dies hat zur Folge, daß man das abgezählte Kleingeld einfach auf den Tisch legt und den Tatort verläßt, ohne auch nur einen einzigen Schluck aus dem berühmten Wasserglas genommen zu haben.
Woran das liegt? An der allgemeinen Verfassung? An mangelnder Bereitschaft, sich in Fahrt zu trinken? An der Großwetterlage oder etwa nur an einem zwickenden Rockbund?
Man kann lange spekulieren, die Sache vor- und rückwärts durchdenken, aber im Fall ausbleibender Lust macht man sich am besten sofort aus dem Staub und geht auf direktem Weg nach Hause, um sich dort an die zwar einfache, jedoch ebenfalls leistungsstarke Cappuccinomaschine zu stellen. Am besten nimmt man die gelbe oder die leuchtendrote Gemütserheiterungstasse, ersatzweise eignet sich auch die lindgrüne, und wenn man sich dann nach einem circa fünfminütigen Arbeitsprozeß auf dem Sofa niederläßt, hat man das Gefühl, als schmuse man mit einem frisch gebadeten, kein bißchen quengelnden Baby.
Erfolg ist garantiert.
Fünf Tage später war Hans auf meinem Anrufbeantworter, Jan lud mich schriftlich zu einer U-Bahn-Fahrt mit der gelben Linie ein, Ralf Witthusen zu einer Irrfahrt durch seine Daily-Soap-Unterlagen, und niemanden schien es dabei zu interessieren, daß die Kassetten auf meinem Schreibtisch immer noch nicht abgearbeitet waren.
Zur Hölle mit den Egoisten!
Nur ein Mensch in meinem Leben hatte in einer sonderbarenNacht- und Nebelaktion offensichtlich seine Egozentrik abgelegt. Tom. Er wollte, daß wir es noch einmal versuchten, ganz ernsthaft und ohne spitzknieige Frauen als Notreserve. Und ich hatte halbwegs ja gesagt. Weil ich meine Ruhe brauchte und keine Typen, die es mit mir im Auto trieben, und weil es charismatische Männer auf Dauer sowieso nur in der Märchenstunde gab.
Punkt eins – Hans auf meinem Anrufbeantworter – erledigte ich mit einem Lächeln auf den Lippen, und ohne das geringste bißchen Zeit zu investieren. Ich rief ihn einfach nicht zurück. Punkt zwei gestaltete sich etwas schwieriger. Leider hatte mir Jans Karte einen gehörigen Hormonschub versetzt.
»Ich würde Sie gern am 3. August zu einer U-Bahn-Fahrt am Hafen entlang einladen. Treffpunkt: 15 Uhr, Schlump. Sie kommen doch?«
Eigentlich fand ich den Text mehr als unverschämt. Dieser Jan schien sich seiner Sache ja ziemlich sicher zu sein. Sie kommen doch? Was für eine Anmaßung! Wie konnte er nur glauben, daß ich gerade mit ihm und an diesem Tag und zu dieser Uhrzeit U-Bahn fahren wollte? Oder war es eine Anspielung auf unsere erste Begegnung? Sie kommen doch!
Zum Teufel mit den Egoisten! Der Mistkerl hatte nicht mal eine Adresse angegeben, keine Telefonnummer, unter der ich ihm hätte absagen können. Klar, seine Frau. Aber wozu hätte ich eigentlich absagen sollen? Ich konnte mich nicht erinnern, bei irgendeiner Sache bereits zugesagt zu
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