Lipstick
billigen Wein – sofern Hans keinen rausrückte –, Grundnahrungsmittel wurden bei Aldi gekauft, Babysitter eingemottet.
Und trotzdem fand ich es in Ordnung, so wie es war. Zumindest konnte ich mich nicht erinnern, mit Tom jemals so glücklich gewesen zu sein. Wenn ich Sex brauchte, holte ich ihn mir bei Hans (der empfing mich immer mit offenen Armen), wenn ich keinen brauchte, guckte ich mit Greta in die Röhre oder unterhielt mich mit Mäxchen, der gerade auf japanische Lautmalereien stand, und nur manchmal in einsamen Nachtstunden kam die Erinnerung an Jan so massiv, daß ich nicht mehr schlafen konnte und still vor mich hin litt. Im übrigen rief Jan ein paarmal an, aber ich behauptete immer, ich hätte keine Zeit. Vielleicht ging ihm ja langsam mal auf, daß sein ewiges Hin und Her nicht gerade die feine Art gewesen war.
Arbeitstechnisch hatte ich mich auch wieder berappelt. Ohne in Panik zu geraten, überarbeitete ich meine Folge, organisierte mir gleichzeitig bei meinem alten Synchronchef ein paar neue Bücher Florida-Clan – schließlich wollte ich nicht verhungern, solange man mich noch nicht in den Götterhimmel der Serienschreiberinnen erhoben hatte. Ganz abgesehen davon, daß ich manchmal sowieso nicht wußte, ob es die Erfüllung war, mir in intensivsterKreativarbeit Dialoge wie »Ich hoffe, ich störe nicht!« – »Nein, ganz bestimmt nicht!« – »Hätte ja aber sein können.« – »Ach, wo denken Sie hin!« aus den Rippen zu leiern.
Drei Tage bevor ich mit Hans nach Florenz fahren wollte, bekam ich einige seltsame Anrufe.
Tom machte den Anfang. Seine Stimme klang schleppend, als habe er getrunken oder irgend etwas geraucht. Wie es mir gehe, wollte er wissen. Ich fand, das war ein eindeutiges Alarmzeichen.
»Gut«, antwortete ich, ohne mein Befinden weiter zu differenzieren.
Unsere Unterhaltung plätscherte eine Weile so dahin, nun rück schon mit der Sprache raus, Junge, aber da er nichts sagte, fragte ich ihn, was denn eigentlich los sei.
»Ich vermisse dich.«
»Du hast mich acht lange Jahre nicht vermißt.«
»Da hatte ich auch keinen Grund dazu.«
Das war ja ganz wunderbar! Jetzt lebte Tom mit seiner Traumfrau Rita, ihren spitzen Knien und einem Fötus zusammen, und auf einmal ging ihm auf, was er an mir gehabt hatte.
»Tom, ich kann nichts dazu sagen.«
»Kannst du doch.«
»Soll ich dich etwa bitten zurückzukommen, ich schmeiß Greta raus, mit zwei Frauen, das ist sowieso nichts?«
Stille in der Leitung.
»Tom, du hast ein Kind angesetzt!«
»Vielleicht könnten wir uns mal treffen.«
»Könnten wir. Vielleicht.«
»Vielleicht?«
»Ich kann frühestens in einer Woche.«
»In Ordnung.«
Tom hatte wohl nicht den Mut nachzufragen, was ich denn in der Zwischenzeit zu tun gedächte, und ich war froh drum.
Der zweite Anruf kam von Ralf Witthusen. Sie hätten sich nun doch entschlossen, mich mitschreiben zu lassen. Ich war perplex und bat um Bedenkzeit.
»Vielleicht könntest du dich bis morgen entscheiden.«
»Bis morgen? Ich stecke in tausend anderen Projekten!«
Es war noch nicht mal gelogen und machte mich auf jeden Fall interessanter.
»Also übermorgen.«
»Drei Tage Frist. Mein letztes Wort.« Ich wünschte ihm noch einen schönen Abend und legte mit einem Gefühl vollkommener Zufriedenheit auf. Wie schön, daß ich so begehrt war!
Anruf Nummer drei kam mitten in der Nacht. Schlaftrunken tapste ich auf den Flur, wo seit Toms Auszug unser Telefon stand.
»Ja?«
»Hallo, du«, flüsterte eine Stimme. Unverkennbar Jan.
»Was soll das? Wo bist du?« Ich fühlte mich plötzlich unsagbar schwach.
»Zu Hause.«
»Und Katharina?«
»Schläft.«
»Jan, ich will diese Anrufe nicht.«
»Aber ich bin … verrückt nach dir.«
»Dann mach das mit deinem Psychiater aus!«
Wütend legte ich auf, aber noch auf dem Weg ins Bett breitete sich wieder dieses wohlige Gefühl vollkommenen Begehrtseins aus.
Mit Hans im Auto nach Italien zu sitzen war alles in allem ziemlich gewöhnungsbedürftig. Zwar fuhr er anständig, überschritt kaum hundertdreißig Stundenkilometer, aber die Tatsache, daß im Kofferraum zwei Taschen mit je einer Zahnbürste, sieben Unterhosen, sieben Paar Socken bzw. Strumpfhosen lagen, wollte irgendwie nicht in meinen Kopf.
Wir waren doch kein Ehepaar! Ein paarmal hatten wir miteinander geschlafen, das ließ sich nicht leugnen, aber waren wir deshalb gleich italienfahrberechtigt? Vielleicht hätte ich die Finger davon lassen sollen. Wenn ich nun in
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