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Lipstick

Lipstick

Titel: Lipstick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fuelscher
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Geschäfte wieder öffneten, auf dem Campo und im Duomo S. Maria, nicht ohne mal schnell zwischendurch den einen oder anderen Cappuccino zu tanken. Kurz nach vier gingen wir zu »Cortecci«, wo ich ein weißes und ein schwarzes Hemd erstand, beide reduziert, anschließend fuhren wir gleich nach San Gimignano zu Hans’ Freund und Weinhändler Salvatore, bei dem wir jede Menge leckere Weine probierten. Gegen sieben waren wir dann wieder im Hotel, wir liebten uns mehr oder weniger mit Liebe bestückt, und während wir danach gemeinsam unter der Dusche standen, überlegten wir, in welchem Restaurant wir zu Abend essen sollten. Hans kannte eine einfache, aber gute Trattoria in der Nähe, die ich gern ausprobieren wollte.
    Auch wenn er in seinem Kapuzenteil nicht so aussah, er war Mann von Welt. Er orderte einen Marchese Antinori 1990, den ich in mich reingoß, als wäre er Alsterwasser, und der meine Laune derarthoch brachte, daß ich in Hans beinahe einen zweiten Jan sah. Ich beglückte ihn unter dem Tisch mit gekonnten Fußspielen und aß dazu ein Carpaccio, das schlichtweg auf der Zunge zerging, weshalb ich mich zu einigen Glücksseufzern hinreißen ließ.
    Es war doch wunderbar so. Einfach umwerfend! Der Wein heizte mich auf, als läge ich in einer Badewanne voll warmen Wassers, der Wannenrand garniert mit Engeln, die mir eine schöne Melodie fiedelten. Nur was Hans mir erzählte, wollte mir überhaupt nicht einleuchten, auch wenn es ziemlich schmeichelhaft war.
    Er würde gern mit mir zusammenziehen, schlug er vor, vielleicht Kinder machen, ein oder zwei, vorausgesetzt, ich hätte auch vor, eine Familie zu gründen, und sowieso – eine Familie sei doch das einzig Sinnvolle im Leben.
    Ach – jetzt kam er mir mit diesem Argument! Alle Welt verlangte nach einem sinnvollen Leben, und da man es nicht allein packte, tat man sich zu ausbaufähigen Zweiergrüppchen zusammen. Gut so. Hatte Jan schließlich auch getan. Aber vorerst wollte ich nicht darüber nachdenken, sondern lieber essen. Cannelloni al Mascarpone, Kaninchen mit gelbem Paprikagemüse und schwarzen Oliven, Tiramisu, Caffè machiato, Grappa. Danach konnte ich mich nicht mehr rühren, geschweige denn reden.
    Aber das war auch nicht nötig. Hans war abgefüllt und glücklich, daß er den Mut gefunden hatte, mich zu fragen, ich war abgefüllt und glücklich, weil ich eigentlich nicht vorhatte, mich auf so etwas wie eine Familie einzulassen.
    Wir liebten uns noch einmal, als wir ins Hotel kamen, wobei ich mich fragte, wie ich es in meinem semikomatösen Zustand nur schaffte, all die komplizierten Handgriffe und Bewegungen auszuführen. Etwa eine halbe Stunde später schlief ich mit dem wunderbaren Gedanken im Kopf ein, daß ich morgen ganz allein in Florenz herumlaufen würde und so viele erotische Cafés aufsuchen konnte, wie ich nur wollte.
    Hans nahm mich in seinem Auto mit und setzte mich an der Porta Romana ab, wo er mich in knapp neun Stunden wieder abzuholen versprach.
    »Danke«, sagte ich und stellte mir vor, was neun Stunden eigentlich bedeuteten.
    In neun Stunden konnte man kreuz und quer durch Deutschland reisen, man konnte genauso einen langweiligen Bürotag plus Anfahrt und Rückfahrt hinter sich bringen, man konnte vielleicht sieben Waschmaschinen waschen, anderthalb Bücher lesen, man konnte drei Mahlzeiten kochen, fünfmal vögeln oder eine ausgedehnte Wanderung mit anschließendem noch ausgedehnterem Nickerchen unternehmen.
    Ich beschloß, fürs erste mit einem simplen Frühstück anzufangen, was ich gegenüber dem Palazzo Pitti erledigte. Während ich auf meiner Brioche herumkaute und in meinem Stadtplan herumlas, kam mir kurz Jan in den Sinn, aber ich schob den Gedanken schnell beiseite. Er sollte mich ja nicht bei meiner Schlemmerei stören. Ein zweiter Cappuccino, dann spazierte ich über den Ponte Vecchio in die Altstadt. Dombesuch, anschließend ging ich zurück in die Uffizien, wo ich etwa eine Stunde lang regungslos vor Botticellis Frühlingsgemälde verharrte, bis meine Beine zu kribbeln anfingen und ich das dringende Bedürfnis vespürte, ein paar Nudeln zu essen. »Geh ins Kinocafé ›Gambrinus‹ gleich an der Piazza della Repubblica«, hatte mir Hans vorgeschlagen.
    »Dort essen nur Italiener.«
    Ich fand das Café, ohne auch nur ein einziges Mal auf den Stadtplan sehen zu müssen. Hans hatte recht. Durch die Bank Italiener, bieder bis elegant gekleidete Geschäftsleute, nur eine einzige Frau stand am Tresen. Sie trug ein

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