Lipstick
Sehr.« Tom drehte sich zu mir um und sah mich starr an. »Rita ist schwanger.«
Und ich fing an zu weinen. Hatte Tom nicht gesagt, sie könne keine Kinder bekommen, was sollte das überhaupt? Tom ließ alles stehen und liegen, um mich in den Arm zu nehmen.
»Kati. Hehe!« Er klang wie damals, als wir uns jeden Tag angefaßt hatten, jede Sekunde genutzt und nie voneinander lassen konnten.
»Ich weine nicht deinetwegen!« weinte ich weiter.
»Also doch schlechte Nachrichten? Die Serie …?« Tom tätschelte mir wie einem Kleinkind das Händchen. Sein schlechtes Gewissen mußte riesengroß sein.
Ich röhrte laut in mein Taschentuch, nickte dabei.
»Was wollen die nur von dir?«
»Weiß ich doch auch nicht! Immerzu kritteln sie an einem rum!«
Und noch während ich das aussprach, dachte ich, wie unsagbar fies das Leben doch manchmal war, weil es einen immer dazu verdonnerte, die Dinge dann zu wollen, wenn man sie selbst nicht mehr kriegen konnte. Zum Beispiel ein Baby von Tom.
»Gratuliere übrigens«, sagte ich kühl und redete mir ein, das wäre sowieso nie was geworden – ein Leben mit Tom und einem Kind. Sollten wir lieber zusammen essen und unsere Leben endgültig auseinanderdividieren.
Ich schob seine Hand weg und deutete auf den Herd.
»Hunger«, maulte ich, während ich mir die letzten Tränen wegwischte.
Stumm nahm Tom wieder seinen Kochdienst auf. Ich betrachtete derweil die beschädigten Fliesen und beschloß, mich nicht unterkriegen zu lassen, niemals. Und überhaupt – wieso spukte mirplötzlich diese Kinderkrieggeschichte im Kopf herum? Es war mir doch nie ein wirkliches Bedürfnis gewesen, Babypopos zu waschen, kleine Nascheinheiten mit Zerealien zu verfuttern oder bei Ikea Kinderzimmerrutschen zu erstehen. Dafür gab es richtige Mütter mit Hormonen im Körper, die meiner einfach nicht ausschüttete.
Es wurde dennoch ein schönes Abschiedsessen. Tom hatte seine Lammkoteletts grandios hinbekommen, er erging sich in einigen philosophischen Betrachtungen darüber, warum es mit Rita so anders sei (was mir aufgrund meines steigenden Alkoholpegels gar nichts mehr ausmachte), und wir endeten eng aneinandergekuschelt in meinem Bett. Ohne Sex, versteht sich – und dabei fühlten wir uns so zusammengehörig wie selten zuvor. Daß es jetzt so war, lag wahrscheinlich nur daran, daß ein Abend wie dieser nie wieder stattfinden würde.
Eigentlich war es ein Wunder, daß Micha seine Leibeigene so ohne weiteres gehen ließ. Ich konnte es mir nur so erklären, daß er glaubte, sie würde über kurz oder lang sowieso reumütig zurückkehren.
Tat sie nicht. Wir kamen nämlich bestens zurecht – auch noch nach der Probezeit, die ich ihr zum Geburtstag geschenkt hatte – und fragten uns im übrigen, weshalb wir die Sache nicht schon eher durchgezogen hatten. Greta bekam Toms Zimmer, das kleine Abstellzimmer wurde ausgemistet und zum Babyzimmer umfunktioniert, das Gemeinschaftszimmer (mit dem gemeinsam erworbenen Tisch) blieb somit erhalten.
Mir gefiel es ausgesprochen gut so: Wenn ich morgens aus dem Bett gekrochen war (wenn auch nur mit der Perspektive, mir für den Schäfer neue Sätze aus den Rippen zu leiern), war Greta schon mit Mäxchen in der Küche, sie hatte Kaffee gekocht, den Tisch gedeckt und versprühte eine gute Laune, die ich früher nicht an ihr gekannt hatte. Dies wiederum führte dazu, daß ich die Angelegenheit mit dem Schäfer nicht mehr so tragisch nahm, ebenso die Tatsache, daß irgendwo in dieser Stadt ein Mensch namens Jan herumlief Im Gegenteil: Ich freute mich riesig, daß es einen anderenMenschen namens Hans gab, der mich scharf fand, und daß ich darüber hinaus einen dritten Menschen namens Mäxchen an meiner Seite hatte, der mich überwiegend auch ganz scharf fand.
Allerdings hatten Greta und ich uns mit zwei winzigkleinen Problemen herumzuschlagen. Das erste war, daß wir alle Zimmer der Wohnung babygerecht umfunktionieren mußten, was sich schwieriger gestaltete, als ein kaputtes Flugzeug auf Trab zu bringen. Steckdosen sichern, Schubladen zukleben, Bücherregale umschichten, Tablettenpackungen einsammeln und so verstecken, daß man sie selbst nicht wiederfand – nur mal zum Beispiel. Das zweite Problem war die Finanzierung unseres neuerworbenen Glücks. Mein Kontostand hatte mir das sinnlose Herumschreiben an ebenso sinnlosen Serien leider übelgenommen, und auch Greta war nicht besonders gut bei Kasse, was zu radikalen Sparmaßnahmen führte. Wir tranken fortan
Weitere Kostenlose Bücher