Lisa
doch wie der Name eines Medizinmanns aus dem Comic. Besonders abgeschmackt fand ich auf der Uni auch die, die statt Kierkegaard Kierkegaaaaaoooouuunhhhhh sagten. Aber die trefft ihr seltener als die Reisenden nach Pariiiiiiiiiiiii.
…
Tschiep-tschiep-tschiep-tschiep.
Nein, ich sehe keine Vögel. Es ist stockdunkel, und ich gehe nicht zum Fenster, ich will im Augenblick gar nicht wissen, was da draußen los ist. Vermutlich nichts. Hoffentlich nichts. Manchmal kommen die Laute von selbst.
Bei euch nie? Ist wohl eine Art, Spannung abzubauen. Tschieptschieptschieptschiep. Tschieptschieptschiep.
Womöglich leide ich an einer Vorstufe von Tourette. Auszuschließen ist das nicht.
Scheint mir im Übrigen die lustigste Krankheit zu sein, die es gibt. Nicht für die Angehörigen natürlich, schon gar nicht für die Betroffenen. Doch wenn ihr im Fernsehen eine Doku seht, in der ein Tourettekranker in seiner Provinzkirche steht und während der Predigt die ganze Zeit »Arschficken, Arschficken!« schreit, umgeben von betretenen Bauernmenschen, die verständnisvoll schauen, weil sie wissen, dass der Arme krank ist und sie modern und tolerant sind, dieser Anblick hat etwas. Man muss kein Rohling sein, um das Ganze nicht irgendwie heiter zu finden.
…
Ich habe wieder den ganzen Tag versucht, Hilgert zu erreichen. Im Internet auch nichts. Keine Mails, keine Nachrichten in den Zeitungen.
Ich mache mir immer weniger Hoffnungen. Aber ichmöchte mir nicht vorstellen, was das für mich bedeutet. Ich weiß ja nicht einmal, ob es überhaupt etwas bedeutet. Vielleicht bin ich ein Spinner, der sich hier oben seine Phantasien zimmert. Vielleicht aber auch nicht.
Eher nicht.
…
Alles klar. Das war der Wecker am Handy. Eigentlich wollte ich jetzt Sophie anrufen, weil die bloß um diese Zeit erreichbar ist, aber mit der will ich nur reden, wenn ich total stoned bin. Der Alert ist von gestern Nacht. Haha.
Heute habe ich Christian angerufen, Fletcher Christian. Das ist mein zweiter Kumpel aus dem Büro. Ich habe ihn gebeten, bei meiner Wohnung vorbeizufahren und zu sehen, ob alles in Ordnung ist. Selbstverständlich habe ich ihm eingeschärft, dass wir von Vorbeifahren reden und nicht etwa vom Hineinspazieren, er soll ganz gemütlich mit dem Auto vorbeifahren und die Augen offen halten. Wenn es etwas Ungewöhnliches zu sehen gibt, soll er auf keinen Fall etwas unternehmen, sondern auf meinen Anruf morgen warten. Bin gespannt, was er zu berichten hat.
Christian, wir nennen ihn Fletcher Christian, weil er Marlon Brando ähnlich sieht, zugegebenermaßen nur mit einem gewissen Maß an Phantasie, und weil er Betriebsrat ist. Er hat stets für alle Seiten Verständnis, versucht zu vermitteln, auch die Position der Chefs zu verstehen, doch wenn es darauf ankommt, stellt er sich voll und ganz hinter die Mannschaft.
Einmal hat er sogar gemeutert gegen oben, seither ist er nur noch Fletcher Christian. Er entwickelt passenderweise Adventuregames. Aber das interessiert uns hier nicht. Wir haben andere Sorgen.
Hmmm.
Wie Hilgert und ich uns kennengelernt haben, das ist auch eine ungewöhnliche Geschichte. Normalerweise erzählen Polizisten den Zeugen ja keinerlei Einzelheiten über ihre Ermittlungen. Ich war einfach einer, bei dem eingebrochen worden war, sonst nichts.
Moment. Aschenbecherpyramide.
…
Ich habe damals ziemlich gestaunt, als Hilgert eineinhalb Jahre nach dem Einbruch vor meiner Tür steht und allerhand Fragen stellt. Ob ich jemals mit Interrail-Kids zu tun gehabt habe. Ob ich über gewalttätige Sexkulte Bescheid weiß, ob es eine Verbindung von mir nach Rumänien geben könnte, ob ich mit Zement zu tun gehabt habe. Lauter so Quatsch. Also aus meiner Sicht wenig einleuchtende Fragen.
Über kurz oder lang sind wir ins Gespräch gekommen. Ich glaube, da ging es ihm im Büro nicht mehr besonders gut. Die Kollegen hatten begonnen, ihn für einen zu halten, der sich in etwas verrannt hat. Er brauchte jemanden zum Reden.
Stimmt, Hilgert ist wohl das, was manche Leute sensibel nennen. Nicht einer, der bloß an reine Fakten glaubt, der lässt sich von seiner Intuition leiten. Nicht nur, aber doch auch. Als Arzt hätte er nebenbei Alternativmedizin betrieben, als Sportler wäre er der mit dem Mental-Trainer gewesen, und als Künstler hätte er wohl nie eine Akademie von innen gesehen.
Damit ich mich klar genug ausdrücke: Bei der Polizei haben sie ihn wahrscheinlich sensibel genannt. Im Alltag wäre er wohl nicht wahnsinnig
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