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Lisa

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Titel: Lisa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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aufgefallen. Ich will nicht sagen,dass ich Polizisten im Schnitt für weniger sensibel halte als andere, aber …
    Doch, ich merke gerade, genau das will ich sagen. Jedesmal, wenn ich mit der Polizei zu tun gehabt habe, waren das so unglaublich blöde Hammel, wie ihr sie wirklich suchen müsst. Entweder die stumpfesten Bauernprügel oder Proleten erster Ordnung, etwas anderes ist mir in Polizeiwachstuben nie begegnet. Bei keinem von denen habe ich menschliche Regungen in dem Maß feststellen können, wie ich sie als normal voraussetze. Alle hatten diese seltsame Form der sozialen Beschränktheit.
    Die Ausnahme war Hilgert. Und deshalb bin ich sicher, den haben sie im Büro sensibel genannt und dabei das Gesicht verzogen und manchmal gegrinst.
    Aber nur, wenn er nicht dabei war, denn er mag zwar sensibel sein, gleichzeitig aber ist er der abgedrehteste Choleriker und Zornesmann, der mir untergekommen ist. Man muss sich in Acht nehmen vor ihm. Ich nicht, mich mag er. Aber Späße mit ihm treiben würde ich nicht, der Typ ist eine Urgewalt.
    Zweimal hat er mir an der Tür Fragen gestellt, nicht lange. Beim dritten Mal habe ich ihm ein Bier hingehalten. Hatte nicht erwartet, dass er es nimmt. Erschien mir unwahrscheinlich, das machen Polizisten im Fernsehen nie, so viel Fernsehen hat es in meinem Leben schon gegeben, um das zu wissen.
    In diesem Punkt dürften sich Realität und Fiktion unterscheiden. Katha und Alex waren bei ihrer Mutter, ich hatte den Abend frei. Zwölf Bier sind es geworden, alles zusammen. Von denen er sicher nicht weniger getrunken hat als ich.
    …
    So haben wir uns angefreundet. Er hat mir über den Fall erzählt, aber wirklich mit der Sprache rausgerückt ist er noch lange nicht. Er hielt sich wohl bedeckt, weil er nicht für verrückt gehalten werden wollte. Für mich war das über weite Zeit eine herkömmliche grausige Geschichte. Hätte es ruhig auch bleiben dürfen.
    Hilgert ist richtig gut. Er war es, der draufkam, dass immer wieder Polizisten gestorben sind, die in der Sache ermittelt hatten.
    Also Moment, so viele waren es auch nicht, bis dahin nur drei, aber ich finde, das ist schon eine ganze Menge. Dass denen bei der Polizei das nicht auffällt, daran merkt ihr, was es geschlagen hat, von solchen Leuten möchte ich nicht abhängig sein.
    Ich weiß, ich bin jetzt ungerecht. Aber ist das noch ein Vorurteil, wenn man es im Leben mit dreißig Polizisten zu tun gehabt hat und neunundzwanzig davon waren einfältig, hartherzig und obendrein böswillig, ist das ein Vorurteil? Ich würde sagen, das ist ein Urteil, erstellt auf Basis eines durchaus repräsentativen Rasters.
    Im Übrigen ist das bei Ärzten tendenziell ähnlich. Zugegeben, Ärzte sind in der Regel intelligenter als Polizisten. Ich würde sagen, auf einen sozial minderbemittelten Arzt kommt einer, mit dem ihr reden könnt. Und dennoch: Die Hölle sollte voll sein mit Ärzten, die ihre Patienten wie Maschinen behandelt haben, an denen man Schrauben nachziehen und Drähte flicken muss.
    …
    Zurück zu den toten Polizisten. 1986, der Polizist in seinem Auto, der war der erste. Damals wusste auch niemand von den Kollegen, dass er der Frau auf der Spur war, daswusste offenbar nur sie selber. Und 2003, eine Kriminaloberkommissarin oder Inspektorin, bitte um Verzeihung für die Detailungenauigkeit, sie hatte jedenfalls Karriere gemacht.
    Wie die die Frau zugerichtet hat! Weil es eine derart blutige Sache war, hielten sie es erst für eine Eifersuchtsgeschichte, dann aber haben sie es einem Schizophrenen aus der Klinik nebenan angehängt, der an dem Tag ganz klassisch durch ein Loch in der Mauer getürmt war und sich vor den Pflegern in einer Tonne versteckte. Der muss am Tatort vorbeigekommen sein und im Blut rumgeplanscht haben. Zumindest sah er dementsprechend aus, als sie ihn aus seiner Tonne zogen. Allerdings erst drei Tage später, weil er sich für erleuchtet hielt und volle fünfundsiebzig Stunden keinen Mucks von sich gab.
    Vermutlich wäre er da drin gestorben. Er dachte nämlich, er sei über Essen und Trinken erhaben. Das glauben zwar Models auch, aber bei denen ist dieser Wahn noch nicht so ausgeprägt. Und man muss auch sagen, der Anblick der toten Polizistin konnte einen durchaus aus der Bahn werfen. Hilgert hat mir mal Fotos gezeigt.
    Ich wollte heute ja keine Einzelheiten bringen, aber wisst ihr was, so einfach ist das gar nicht. Wenn ich erzähle, was der Frau, die meinen Laptop geklaut hat, so alles nachgesagt wird,

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