Lisa
schlotternden Neurotiker und sagt: Gehen Sie zelten!
…
Heute habe ich den halben Tag Musik gehört, dröhnend laut, noch unten bei der aufgelassenen Poststation müssen die Fenster gescheppert haben. Amanda Palmer rauf undrunter, und ein Auge auf Alex, der im Garten mit dem Luftdruckgewehr auf Wespen geballert hat, so habe ich gekocht.
Ja, gekocht! So geht das nicht weiter, dachte ich mir, ich kann mich nicht nur verstecken. Außerdem war ich durch das Auto nervlich ziemlich mitgenommen und sagte mir, nun muss etwas geschehen, ich muss etwas unternehmen. Und was soll der Blödsinn, ein Einkauf wird sie schon nicht auf meine Spur setzen!
Auf meine Spur setzen, holy moly, das klingt vielleicht schundig. Plötzlich verschlägt es einen in eine Billigkrimi-Welt. Das Leben ist echt an allem schuld.
Ich bin in dieses faulende Dorf hinunter, in dem jeder zweite Knabe entweder ein Bein nachzieht oder mit dem Gesicht zuckt oder vorstehende Zähne hat wie ein Affe, und in dem die Frauen Kopftuch tragen und die Männer rote Köpfe haben vom Saufen und vom Schweinebraten, aber in dem verfallenen Laden habe ich natürlich nichts gekriegt. So bin ich weiter ins übernächste Kaff, da habe ich Großeinkauf gemacht. Huhn, Gemüse, Milch, Brot, Kartoffeln, Gewürze. Kochbuch habe ich keines gekriegt, habe mich auf das Internet verlassen, dafür stapelweise Zeitungen gekauft und Zigaretten und Glühbirnen und eine neue Taschenlampe. Dann habe ich mir ein Rezept gesucht und zwei Stunden in der Küche geschwitzt, wegen dem undichten Ofen hat es genebelt wie in einer Räucherkammer. Ich bin wirklich kein Hypochonder, aber bei den schwarzen Rauchsäulen denkt ihr irgendwann an Rauchgasvergiftungen.
Das Rezept hatte ich gleich wieder weggelegt beziehungsweise den Laptop zugeklappt, ich wollte improvisieren. Improvisieren ist super, wenn ihr über die technischenGrundlagen verfügt, doch ich weiß nicht viel mehr, als dass Salz salzt. Eine Flasche Wein rein ins System, so geht die Kocherei flott von der Hand. Ich habe ein Huhn, das zum Glück schon ausgenommen war, mit Pistazien gefüllt, besser gesagt, mit einer Paste, für die ich niemand anderen verantwortlich machen kann als mich selbst. Das Resultat, na ja. Alex, dem war es egal, der hat es verschlungen, und die Bratkartoffeln, die ich auf dem Blech habe mitbraten lassen, hat er allesamt weggeputzt.
Der Arme, ich habe ein schlechtes Gewissen. Da nützen keine Ausflüchte, ich muss kochen lernen, seinetwegen, ich muss hier kochen. Morgen gibt es Gemüseeintopf. Wie auch immer das geht. Übermorgen mache ich irgendetwas aus Resten, werde schon etwas finden. Zur Not Schweinesuppe.
Nein, das war ein Scherz, ich weiß gar nicht, was das ist. Das hat der Freund von der Frau mit der geplatzten Leber gekocht. Der war bei denen zu Hause nämlich der Koch. Nina ist wahnsinnig auf die Schweinesuppe abgefahren, und ich war nie so tollkühn, nachzufragen, sonst hätten sie mich womöglich zum Essen eingeladen. Ich hatte nur herausgefunden, dass es nicht etwa eine Suppe ist, die zubereitet wird wie eine vom Rind, nur eben mit Schwein, es muss etwas Drastischeres gewesen sein. Ich wollte es nicht wissen und will es nicht wissen und werde es niemals wissen wollen. Das gibt es jedenfalls übermorgen nicht.
Morgen suche ich die Telefonnummer der Vermieter raus. Bis Ende des Monats können wir bleiben, aber verlängern ist sicher möglich. Hierher will kein Mensch. Wenn es sein muss, rufe ich in der Schule an, bevor sie losgeht, und melde Alex krank. Hat er eben Höhenkrankheit oder Windpocken oder irgendetwas mit Toxo-.
Toxotropie? Klingt gut. Bedeutet das etwas? Was weiß ich. Die Lehrer werden es auch nicht wissen. Vermutlich ist es ihnen egal.
…
In den Zeitungen steht absolut nichts. Nicht nur, dass man nichts über abgängige Polizisten liest, es steht auch sonst nur Dreck drin.
…
Die Suppengeschichte hat mich jetzt an den Wahnsinn mit dem Wikinger erinnert. Eigentlich eine banale Sache, zunächst. Und nicht ganz unheiter. Kommt natürlich auf das Humorverständnis an.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht ein blondgelockter Jüngling mit einiger Rauschgifterfahrung, dem es gefallen hat, von früh bis spät im Wikingerkostüm herumzulaufen. Eines Abends hat der sich Teile vom Fuß abgehackt, mit Öl und Knoblauch in die Pfanne geworfen und gebraten. Bevor jemand kotzt, zum Essen ist er nicht mehr gekommen, weil ihm vorher die Polizei die Tür eingetreten hat.
Es war Routine, ein
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