Literaturgeschichte der USA
verarbeitet. Vonnegut verwendet bzw. entwickelt hier postmoderne Erzähltechniken, indem er seine autobiographischen traumatischen Kriegserlebnisse auf die literarische Figur Billy Pilgrim überträgt. Er verschachtelt Vergangenes und Gegenwärtiges im Leben des Protagonisten mit einer science-fictionartigen Phantasieebene, in der Billy von Außerirdischen auf den fernen Planeten Tralfamadore entführt und in einem Zoo nackt ausgestellt wird. Damit erzeugt Vonnegut ein eindringliches Bild jenes im Bewusstsein der Figur allgegenwärtigen Kriegstraumas, das Raum und Zeit überschreitet.
Vonnegut spielt gekonnt mit dem Prinzip der Simultanität dieser Ebenen, wobei er Anleihen bei fragmentierten modernistischen Erzählperspektiven und kubistischen Repräsentationspraktiken macht. Im Roman verweist er auf seine Technik durch einen metafiktionalen Einschub, der die ungewöhnliche Literatur bzw. Schreibpraxis der außerirdischen Tralfamadorianer erläutert, die eine Vielzahl kurzer Textteile nicht linear, sondern als gleichzeitiges Ganzes aufnehmen können: «[W]hen seen all at once, they produce an image of life that is beautiful and surprising and deep. […] marvelous moments seen all at one time.»[ 104 ] Vonnegut suggeriert hiermit, dass die fragmentierten Vignetten seines Romans, die in Gegenwart, Erinnerung und Imagination des traumatisierten Protagonisten angesiedelt sind, sozusagen in einer gleichzeitigen Projektion rezipiert werden sollten.
Vonnegut steht mit seinem Roman in einer langen Tradition amerikanischer Kriegsromane, die beginnend mit Stephen Cranes
The Red Badge of Courage
von 1895 Kriegstraumata in der amerikanischen Geschichte aufarbeiten. Dass diese Bewältigungsarbeit auch als Satire erfolgen kann, zeigt
Joseph Heller
s (1923–1999) Roman
Catch-22
(1961), der die ökonomisch motivierten Machenschaften des Militärapparates anhand eines fiktiven amerikanischen Stützpunktes im Mittelmeer aufdeckt.
Zu den akademischsten Vertretern der amerikanischen Postmoderne zählen
William Gass
(geb. 1924) und
John Barth
(geb. 1930), die auch durch literaturtheoretische Texte zur Selbstdefinition des amerikanischen Postmodernismus beigetragen haben. Im Essay «The Literature of Exhaustion» (1967) diagnostiziert Barth eine Abnutzung der Literatur, die es nur mehr ermöglicht, bestehende Texte zu übernehmen und durch Neupositionierung in einem anderen soziohistorischen Kontext als genuin neue Texte erscheinen zu lassen. In Anlehnung an Kurzgeschichten des argentinischen Schriftstellers Jorge Luis Borges (1899–1986), verbunden mit Konzepten vom «Tod des Autors» des französischen Literaturtheoretikers Roland Barthes formuliert Barth eine Art postmoderndes Manifest, das den Tod der realistischen Literatur beschwört.
Eine Weiterführung postmoderner Literatur in Verbindung mit traditionellem, realistischem Erzählstil gelingt
Paul Auster
(geb. 1947). Seine
New York Trilogy
(1987) verquickt modernistische Elemente der Zeitgeistdokumentation Dos Passos’ mit einer Art Antidetektivgeschichte wie Thomas Pynchons
The Crying of Lot 49
. Auster spielt mit Elementen der Poe’schen Detektivgeschichte, poststrukturalistischen Theoriebildungen der Philosophie Jacques Derridas und der Psychoanalyse Jacques Lacans und verbrämt diese mit einer Reihe selbstreferentieller Topoi des postmodernen amerikanischen Romans. Er lässt dabei eine Figur des Romans in die Rolle des Autors Paul Auster und gleichzeitig in die eines Detektivs schlüpfen, der vor der Folie des zeitgenössischen New Yorks verschiedene Realitätsebenen kreuzt und enigmatische Zeichen zu dechiffrieren versucht.
Ebenfalls im New York des ausgehenden 20. Jahrhunderts angesiedelt sind die als «Yuppie Romane» bezeichneten abgründigen Charakterstudien von
Bret Easton Ellis
(geb. 1964). In seinem bekanntesten Roman,
American Psycho
(1991), wird in der Ichform die perverse Leidenschaft des Massenmörders und Investmentbankers Patrick Bateman in detailreichen Tötungs- und Zerstückelungsszenen geschildert. Bis zum Ende des Romans bleibt unklar, ob Batemans makabre Taten Realität oder Ausgeburt seiner kranken Phantasie sind. Gepaart sind Ellis’Gewaltphantasien mit einer satirisch bissigen Abrechnung mit der Konsum- und Modekultur der 1990er Jahre. Mit Elementen wie Folter, Vergewaltigung, Kannibalismus und Nekrophilie führt Ellis eine Tradition in der amerikanischen Prosa fort, die über E. A. Poe und
Truman Capote
s (1924–1984) Fiktionalisierung eines
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