Literaturgeschichte der USA
Farbenfabrik, dass bei der Herstellung einer Dose besonders weißer Farbe zehn Tropfen schwarze Farbe dazugemischt werden, damit der wahre Weißeffekt entsteht. An diesem Roman wird ersichtlich, dass Ralph Ellison, wie wir vor allem im letzten Kapitel dieses Buchs sehen werden, am Beginn eines neuen Interesses der Literaturwissenschaft an Selbstpositionierungen bzw. Identitätsbestimmungen marginalisierter ethnischer Gruppen steht.
Mit Identität auf einer geschlechtsspezifischen Ebene setzen sich die Texte
Sylvia Plath
s (1932–1963) auseinander
.
In ihrem Schlüsselroman
The Bell Jar
(1963) verarbeitet Plath ihren eigenen psychischen Zusammenbruch, bevor sie einen Monat nach dessen Erscheinen Selbstmord beging. Der Roman ist eine Icherzählung der psychisch schwer angeschlagenen und suizidgefährdeten Protagonistin Esther Greenwood. Titel und zentrale Metapher des Romans ist eine Glasglocke, unter der sich Esther in ihrer Depression gefangen sieht. Plaths Roman erinnert an Charlotte Perkins Gilmans Erzählung «The Yellow Wallpaper», die ebenfalls um die innenperspektivische Darstellung psychischer Krankheit im Spannungsfeld einer männlich dominierten medizinischen Umgebung angelegt ist.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mehren sich generell die Stimmen von Autorinnen, wie zum Beispiel die Südstaatenautorin
Flannery O’Connor
(1925–1964), deren Werk groteske Elemente des amerikanischen Südens zu fassen versucht. Diese literarische Richtung wird häufig als
Southern Gothic
bezeichnet. Sehr viele Stilelemente O’Connors finden sich in der Kurzgeschichte «A Good Man Is Hard to Find» (1953), in der eine Familie bei einem Ausflug auf eine Gruppe von entflohenen Verbrechern unter der Führung des sogenannten Misfit («Außenseiter») trifft. Schließlich wird die gesamte Familie getötet, bis nur noch die Großmutter am Leben ist. In ihrem vergeblichen Versuch, sich zu retten, nähert sich die Großmutter dem Misfit mehr und mehr, wird aber, als sie ihn berühren will, von ihm kaltblütig erschossen. Typisch für O’Connors Texte sind Momente, in denen Figuren eine Einsicht oder Art Erleuchtung erfahren, wie hier die Großmutter im Angesichtdes Todes. O’Connor übernimmt diese «moments of epiphany» von James Joyce, adaptiert sie aber auf besondere Weise für ihre meist religiös motivierten Texte. In der nicht nachvollziehbaren und absurd anmutenden Gewaltanwendung, die im Zentrum von «A Good Man Is Hard to Find» steht, erscheint O’Connors Kurzgeschichte wie eine Vorwegnahme der Ästhetik Quentin Tarantinos in Filmen wie
Pulp Fiction
(1994) oder
Inglourious Basterds
(2009).
Identitätsfindung ist aber nicht nur ein Thema in den Texten weiblicher Schriftsteller und ethnischer Minderheiten.
J. D. Salinger
s (1919–2010)
The Catcher in the Rye
(1951), der zu den meistverkauften Romanen des 20. Jahrhunderts zählt, gewährt zum Beispiel tiefe Einblicke in die verunsicherte Psyche des Jugendlichen Holden Caulfield. Mit einem direkten Verweis auf die Tradition der Icherzählung à la Charles Dickens’
David Copperfield
erzählt der adoleszente Holden zentrale Erlebnisse seiner Identitätskrise, die er während einer dreitägigen Odyssee in Manhattan nach seinem Ausschluss von der Schule durchlebt. Seine Suche nach persönlicher Identität und menschlicher Nähe endet mit einem Nervenzusammenbruch und Holden muss sich schließlich in psychiatrische Behandlung begeben.
Salinger setzt sich auch in seinen Kurzgeschichten mit psychologischen Problemen der Nachkriegsgeneration auseinander. In «A Perfect Day for Bananafish» (1948) wird die Hauptfigur Seymour von imaginierten Problemen wie einem nicht existenten Tattoo geplagt, das er vor den Blicken anderer Strandbesucher verbergen will. Nachdem Seymour einem kleinen Mädchen beim Schwimmen die Geschichte des Bananenfisches erzählt hat, der sich in Unterwasserhöhlen so vollfrisst, dass er nicht mehr aus der Höhle entkommen kann und stirbt, geht er in sein Hotelzimmer, setzt sich neben seine schlafende Frau und tötet sich durch einen Kopfschuss. Mit dieser Kurzgeschichte, deren Elemente sich im absurden Theater wiederfinden, erlangte Salinger eine breite Anerkennung als Autor, zog sich aber für den Rest seiner Karriere völlig aus der Öffentlichkeit zurück und wollte keine Informationen über sich selbst preisgeben.
Obwohl Salingers Texte einen Bezug zum Absurden aufweisen, kann er dennoch nicht zum engeren Kreis postmodernen Erzählens in
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