Literaturgeschichte der USA
Tochter Beloved tötet, um sie nicht in die Hände der Verfolger fallen zu lassen, welche die Familie wieder in die Sklaverei zurückgeführt hätten. In der Folge erscheint der Geist bzw. eine Reinkarnation des jungen Mädchens der Familie Sethes und überschattet die Überlebenden. Mit dem Einsatz der geisterhaften Figur als Teil der Handlung macht Morrison direkte Anleihen beim magischen Realismus lateinamerikanischer Literatur.
Ähnlich wie bei der Entwicklung afro-amerikanischer Literatur steht auch am Beginn indianischer Textproduktion mündliche Überlieferungstradition sowie autobiographische Selbstdarstellung. Diese beiden Linien speisen bis ins 20. Jahrhundert Romane und Kurzgeschichten der amerikanischen Autorinnen und Autoren indianischer Herkunft. Wie lange die indianische Kultur als Fremdkörper innerhalb der USA gesehen wurde, zeigt sich daran, dass die Indianer erst 1924 die amerikanische Staatsbürgerschaft erhielten. Bis dahin waren sie quasi eine Nation auf dem Territorium der USA ohne amerikanische Bürgerrechte.
Mit seinem Pulitzer-Preis-Roman
House Made of Dawn
(1968) schrieb sich der Kiowa-Cherokee-Autor
N. Scott Momaday
(geb. 1934) in die amerikanische Literaturgeschichte, indem er autobiographische Erlebnisse fiktional mit einer Art Erlebnisroman des indianischen Protagonisten Abel verbindet. Auf ähnliche Weise agiert die Laguna-Pueblo-Autorin
Leslie MarmonSilko
(geb. 1948) in ihrem Roman
Ceremony
(1977), der ebenfalls einen aus dem Zweiten Weltkrieg heimkehrenden Indianer in seiner Reintegration nach traumatischen Kriegserlebnissen zeigt, wobei typische indianische Problemkreise wie Alkoholismus und Ausgrenzung thematisiert werden. Noch stärker als Momaday arbeitet Silko mit der mündlichen indianischen Tradition, die sie in den Roman als zentrales Element integriert.
Parallel zur indianischen Literatur trugen auch ethnische Gruppen hispanischer Herkunft wie Chicanas und Chicanos zur literarischen Landschaft der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den USA bei. Neben Romanen von
Ana Castillo
(geb. 1953) und
Sandra Cisneros
(geb. 1954) machte bereits in den 1960er Jahren
Luis Valdez
(geb. 1940) mit dem politischen «Teatro Campesino» und Stücken wie
Los Vendidos
(1967) auf die Rolle der Einwanderer aus Mexiko aufmerksam.
Gerade in der Nachkriegszeit erstarkte auch die Literatur von Amerikanerinnen asiatischer Abstammung, die als ausgegrenzter Bevölkerungsteil während des Zweiten Weltkriegs bzw. des Korea- und Vietnamkriegs eine problematische Stellung innerhalb der amerikanischen Gesellschaft innehatten. Hierzu zählen Autorinnen wie
Maxine Hong Kingston
(geb. 1940), deren feministischer Roman
The Woman Warrior
(1975) eine Geschlechterproblematik behandelt, die weit über vordergründige ethnische Aspekte hinausgeht. Zusammen mit
Amy Tan
s (geb. 1952)
The Joy Luck Club
(1989) und dessen erfolgreicher Verfilmung wurden die Romane asiatisch-amerikanischer Autorinnen integraler Bestandteil der literarischen Landschaft der USA.
In der amerikanischen Literaturgeschichte werden auch die Werke jüdisch-amerikanischer Schriftsteller als relativ eigenständige Traditionslinie gehandelt. Hierzu zählen Autoren wie
Saul Bellow
(1915–2005), dessen existenzialistischer Roman
Dangling Man
(1944) von einem aus seiner Identitätskrise in freiwilligen Kriegsdienst flüchtenden jungen Mann handelt. Bellows erfolgreichster Roman,
Herzog
(1964), kreist ebenfalls um die mentale Krise eines männlichen Protagonisten, des Wissenschaftlers Moses Herzog, der Briefe an lebende und tote Personenverfasst, um mit sich und der Welt ins Reine zu kommen. Während Bellow nicht vordergründig jüdische Themen bearbeitet, thematisieren Autoren wie
Isaac Bashevis Singer
(1902–1991) in der Kurzgeschichte «Gimpel the Fool» (1957),
Bernard Malamud
(1914–1986) in der Kurzgeschichtensammlung
The Magic Barrel
(1958) oder
Cynthia Ozick
(geb. 1928) in ihrer experimentellen Prosa direkt jüdische Identität in Amerika.
Philip Roth
(geb. 1933) hingegen behandelt in seinen Zuckerman-Romanen (1974–2007), die um die Figur des fiktiven jüdischen Schriftstellers Nathan Zuckerman kreisen, das Jüdische verstärkt in Form von Metafiktion. Diese metafiktionale, mit Trauma operierende Tradition setzt der Autor
Jonathan Safran Foer
(geb. 1977) mit dem Post-9/11-Roman
Extremely Loud and Incredibly Close
(2005) und dessen Verfilmung (2012) konsequent fort.
Wie stark die Texte eines jüdisch-amerikanischen Autors in die
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