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Little Brother

Little Brother

Titel: Little Brother Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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war so bestialisch, dass ich in die Knie ging, und ich war beileibe nicht der Einzige. Darryl zerrte mich am Arm und wies über die Gebäude hinweg, und da sahen wir sie: eine gewaltige schwarze Wolke, die sich aus Nordwesten über die Bay erhob.
    Dann noch ein Grollen, und die Rauchwolke dehnte sich aus, diese expandierende schwarze Form, die wir alle aus den Kinofilmen unserer Jugend kannten. Irgendjemand hatte etwas in die Luft gejagt, und zwar ganz gewaltig.
    Noch mehr Grollen, noch mehr Beben. Die Straße rauf und runter erschienen Köpfe an Fenstern. Wir starrten schweigend die pilzförmige Wolke an.
    Dann gingen die Sirenen los.
    Sirenen wie diese hatte ich zwar schon mal gehört - sie testen die Zivilschutz-Sirenen immer dienstagmittags. Aber dass sie außerplanmäßig losgingen, das kannte ich nur aus alten Kriegsfilmen und Videospielen, diese Sorte, wo irgendwer irgendwen aus der Luft bombardiert. Luftalarm-Sirenen. Das wouuuuuuu-Jaulen machte das Ganze irgendwie unwirklich.
    "Suchen Sie sofort die Notunterkünfte auf." Es war wie die Stimme Gottes, sie kam aus allen Richtungen zugleich. Auf einigen der Strommasten waren Lautsprecher angebracht, was mir noch nie aufgefallen war; und die waren alle auf einmal angegangen.
    "Suchen Sie sofort die Notunterkünfte auf." Notunterkünfte? Wir starrten uns fragend an. Welche Notunterkünfte? Die Wolke wuchs immer noch und dehnte sich aus. War es eine Atombombe? Waren das jetzt unsere letzten Atemzüge?
    Das Mädchen mit den rosa Haaren schnappte ihre Freundinnen, und sie rasten wie bekloppt den Hang runter, zur BART-Station am Fuß der Hügel.
    "SUCHEN SIE SOFORT DIE NOTUNTERKÜNFTE AUF." Inzwischen war das Geschrei losgegangen, und alles rannte wild durcheinander. Touristen - die erkennt man immer daran, dass sie glauben, in Kalifornien sei es warm, und in San Francisco in Shorts und T-Shirts frieren - stoben in alle Himmelsrichtungen auseinander.
    "Wir müssen weg!", brüllte Darryl mir ins Ohr, kaum zu verstehen über dem Sirenengeheul, das mittlerweile durch normale Polizeisirenen verstärkt wurde. Ein Dutzend SFPD-Streifenwagen raste an uns vorbei.
    "SUCHEN SIE SOFORT DIE NOTUNTERKÜNFTE AUF."
    "Runter zur BART-Station", brüllte ich. Meine Freunde nickten. Wir schlossen die Reihen und machten uns zügig auf den Weg bergab.
     
    Kapitel 3
    Auf dem Weg zur Powell Street BART kamen wir auf der Straße an enorm vielen Leuten vorbei. Sie rannten oder gingen, bleich und stumm oder panisch und schreiend. Obdachlose kauerten sich in Hauseingänge und beobachteten alles, während eine große farbige Transen-Hure zwei schnurrbärtigen jungen Männern etwas zurief.
    Je näher wir der BART kamen, desto heftiger wurde das Gedränge. Bis wir an der Treppe zur Station runter angekommen waren, hatte es sich zum Mob entwickelt - ein unabsehbares Gewimmel von Menschen, die alle zur schmalen Treppe runterdrängten. Mein Gesicht wurde in den Rücken meines Vordermanns gepresst, jemand anderer rammte in meinen Rücken.
    Darryl war immer noch neben mir - er war groß genug, um nicht so leicht umgeschubst zu werden -, und Jolu folgte ihm oder hing vielmehr an seiner Hüfte. Vanessa sah ich ein paar Meter entfernt, von anderen Leuten eingezwängt.
    "Fick dich selbst!", hörte ich sie schreien. "Perverser! Nimm die Pfoten weg!" Gegen den Druck der Massen drehte ich mich zu Van um und sah, wie sie einen älteren Kerl im feinen Anzug mit Abscheu musterte, der sie anzugrinsen schien. Sie kramte in ihrer Tasche, und ich wusste, was sie suchte.
    "Nicht das Tränengas!", brüllte ich über den Lärm hinweg. "Du erwischst uns alle mit."
    Als er "Tränengas" hörte, sah der Typ plötzlich ängstlich aus und versuchte nach hinten zu entwischen, während ihn die Menge weiter nach vorn drängte.
    Vor mir sah ich, wie eine Frau mittleren Alters im Hippie-Dress zusammensackte und stürzte. Sie schrie auf, als sie fiel, und ich sah, wie sie sich bemühte, wieder auf die Beine zu kommen, aber vergeblich: Das Drängen der Masse war zu heftig. Als ich mich ihr näherte, bückte ich mich, um ihr aufzuhelfen, und wurde fast selbst umgeworfen. Am Ende trat ich ihr in den Unterleib, als die Menschenmenge mich an ihr vorbeischob; aber ich glaube, da war sie schon nicht mehr in einem Zustand, in dem sie noch irgendwas spürte.
    Ich hatte Angst wie noch niemals zuvor. Überall war Gebrüll, mehr Körper lagen am Boden, und der Druck von hinten war so unnachgiebig wie von einem Bulldozer. Nur auf meinen

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