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Little Brother

Little Brother

Titel: Little Brother Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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nur, wenn drei Millionen Leute alle auf einmal dieselbe Nummer wählen. Wer braucht schon Botnetze, wenn es Terroristen gibt?
    "Wikipedia vielleicht?", schlug Jolu vor.
    "Kein Netz, keine Daten", entgegnete ich.
    "Und die da?", fragte Darryl und zeigte die Straße entlang. Ich folgte seiner Geste und erwartete einen Polizisten oder Sanitäter zu sehen, aber da war niemand.
    "Ist alles gut, Kumpel, bleib mal liegen", sagte ich.
    "Nein, du Idiot, die da, die Bullen in den Wagen. Da!" Er hatte Recht. Alle paar Sekunden sauste ein Streifenwagen, eine Ambulanz oder ein Feuerwehrwagen vorbei. Die würden uns helfen können. Ich war echt ein Idiot.
    "Also gut", sagte ich, "wir bringen dich irgendwo hin, wo sie dich sehen, und halten einen an." Vanessa war skeptisch, aber ich nahm an, an einem Tag wie diesem würde kein Bulle stehenbleiben, bloß weil ein junger Kerl auf der Straße den Hut schwenkte. Aber vielleicht würden sie anhalten, wenn sie sahen, wie Darryl blutete. Wir zankten uns kurz, was Darryl unterbrach, indem er mühsam aufstand und sich Richtung Market Street schleppte.
    Das erste Fahrzeug, das vorbeiraste, ein Notarztwagen, wurde nicht mal langsamer. Der Streifenwagen danach auch nicht, auch nicht das Feuerwehrauto und auch nicht die nächsten drei Polizeiwagen. Darryl gings nicht gut - er war kreidebleich und keuchte. Vans Sweater war blutüberströmt.
    Ich hatte die Faxen dick von Autos, die an mir vorbeirasten. Als das nächste Mal ein Fahrzeug in Market Street auftauchte, stellte ich mich mitten auf die Straße, schwenkte die Arme überm Kopf und schrie "STOP!" Der Wagen bremste ab, und da erst erkannte ich, dass es weder ein Polizeiwagen noch eine Ambulanz oder die Feuerwehr war.
    Es war ein militärisch aussehender Jeep, wie ein gepanzerter Hummer, bloß ohne jegliche Militärabzeichen drauf. Die Kiste kam unmittelbar vor mir zum Stehen, ich machte einen Satz rückwärts, verlor das Gleichgewicht und fand mich auf der Straße liegend wieder. Ich spürte, wie neben mir Türen aufschwangen, dann sah ich ein Durcheinander von Stiefeln in nächster Nähe. Ich blickte hoch und starrte auf eine Horde von Typen, die wie Soldaten aussahen, in Overalls steckten, riesige, fette Gewehre trugen und deren Gesichter hinter Gasmasken mit getönten Gläsern verschwanden.
    Ich hatte kaum Zeit, sie überhaupt wahrzunehmen, als die Knarren schon auf mich gerichtet waren. Nie zuvor hatte ich in die Mündung eines Gewehrs geblickt, aber alles, was man darüber hört, ist wahr. Du gefrierst an Ort und Stelle, die Zeit bleibt stehen und dein Herz donnert in deinen Ohren. Ich öffnete meinen Mund, schloss ihn wieder, und dann nahm ich, sehr langsam, meine Hände nach oben.
    Der gesichts- und augenlose Mann über mir zielte mit seinem Gewehr genau auf mich. Ich wagte nicht zu atmen. Van schrie etwas, und Jolu brüllte; ich schaute einen Augenblick lang zu ihnen rüber, und im selben Moment stülpte jemand einen rauen Sack über meinen Kopf und zog ihn um die Kehle herum dicht - so schnell und rabiat, dass ich kaum eben Luft holen konnte, als er schon um mich rum geschlossen war. Dann schubste man mich grob, aber teilnahmslos auf den Bauch, und irgendwas wurde zweimal um meine Handgelenke gewickelt und festgezogen - es fühlte sich an wie Draht und schnitt höllisch ein. Ich schrie auf, aber meine Stimme wurde von der Kapuze gedämpft.
    Nun war ich von absoluter Dunkelheit umgeben, und ich bemühte mich, zumindest zu hören, was mit meinen Freunden geschah. Durch den geräuschdämpfenden Stoff des Sacks konnte ich sie rufen hören, dann wurde ich ohne viele Umstände an den Handgelenken emporgerissen - ein stechender Schmerz durchzuckte meine Schultern, als die Arme hinterm Rücken hochgebogen wurden.
    Ich stolperte, dann drückte eine Hand meinen Kopf nach unten, und ich war im Hummer drin. Andere Körper wurden grob neben mich geschubst.
    "Leute", rief ich und kassierte dafür einen heftigen Hieb auf den Kopf. Ich hörte Jolu antworten, dann spürte ich, wie er ebenfalls einen Schlag abbekam. In meinem Kopf pulsierte es wie ein Gong.
    "He", sagte ich zu den Soldaten, "hören Sie zu! Wir sind doch bloß Schüler. Ich hab Sie anhalten wollen, weil mein Freund blutet. Jemand hat ihn mit nem Messer verletzt." Ich hatte keine Ahnung, wie viel davon durch den dicken Sack durchdrang. Trotzdem redete ich weiter. "Hören Sie doch - das muss ein Missverständnis sein. Wir müssen meinen Freund ins Krankenhaus bringen..."
    Wieder hieb

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