Little Brother
mir jemand was auf den Schädel. Fühlte sich an wie ein Gummiknüppel - so hart war ich noch nie am Kopf getroffen worden. Mir schossen Tränen in die Augen, und vor Schmerz blieb mir die Luft weg. Einen Moment später bekam ich wieder Luft, aber ich sagte nichts mehr. Ich hatte meine Lektion gelernt.
Wer waren diese Clowns? Abzeichen hatten sie keine. Vielleicht waren es Terroristen! Bisher hatte ich nicht so recht an Terroristen geglaubt - okay, es gab sie wohl irgendwo auf der Welt, aber für mich waren die keine echte Bedrohung gewesen. Die Welt kannte Abermillionen Möglichkeiten, mich umzubringen - angefangen bei einem besoffenen Raser, der mich auf der Valencia überfahren könnte -, die alle sehr viel direkter und wahrscheinlicher waren als Terroristen. Terroristen brachten weniger Leute um als Ausrutscher im Badezimmer oder versehentliche Stromschläge. Mir über Terroristen Sorgen zu machen war mir immer ähnlich sinnvoll vorgekommen, wie Angst vor einem Blitzschlag zu haben.
Doch auf der Rückbank des Hummer, Kapuze überm Kopf, Hände hinterm Rücken gefesselt, vor- und zurücktaumelnd, während die Beulen am Kopf anschwollen, fühlte sich Terrorismus plötzlich sehr viel gefährlicher an.
Der Wagen wippelte und neigte sich bergauf. Nach meiner Schätzung waren wir in Richtung Nob Hill unterwegs, und der Neigungswinkel ließ vermuten, dass wir eine der steileren Routen nahmen - eventuell Powell Street.
Jetzt ging es ebenso steil bergab. Wenn meine innere Landkarte mich nicht trog, steuerten wir Fisherman's Wharf an. Von dort könnte man auf einem Boot entkommen. Das passte zu der Terror-Hypothese. Aber warum zum Teufel sollten Terroristen ein paar Schüler kidnappen?
Mit einem Ruck kamen wir an einem Hang zum Halten. Der Motor erstarb, und die Türen öffneten sich. Jemand zerrte mich an den Armen raus auf die Straße, dann wurde ich stolpernd eine gepflasterte Straße entlanggeschubst. Nach wenigen Sekunden purzelte ich über eine eiserne Treppe und schlug mir die Schienbeine auf. Die Hände hinter mir schubsten mich erneut. Vorsichtig stieg ich die Stufen hoch, unfähig, meine Hände benutzen zu können. Auf der dritten Stufe angekommen, tastete ich nach der vierten, fand aber keine und fiel fast wieder hin. Doch andere Hände griffen von vorn nach mir, zogen mich auf einen stählernen Fußboden, zwangen mich in die Knie und schlossen meine Hände an irgendetwas hinter meinem Rücken an.
Mehr Bewegung, dann das Gefühl, wie Körper einer nach dem anderen neben mir angebunden wurden. Stöhnen, unterdrückte Geräusche. Gelächter. Dann eine lange, zeitlose Ewigkeit in gedämpftem, trübem Halbdunkel, meinen eigenen Atem atmen, die Geräusche meines eigenen Atems im Ohr.
Irgendwie schaffte ichs sogar, hier zu schlafen, auf Knien, Beine nicht anständig durchblutet, den Kopf im Zwielicht des Sackstoffs. Mein Körper hatte eine Jahresration Adrenalin binnen 30 Minuten ausgeschüttet; und der Stoff gibt dir zwar kurzfristig die Kraft, Autos über geliebten Menschen hochzustemmen oder über hohe Gebäude zu springen, aber die Nachwirkungen sind immer biestig.
Ich erwachte, als jemand die Kapuze von meinem Kopf wegzog. Sie machten es weder grob noch vorsichtig, einfach nur... unpersönlich. Wie jemand bei McDonald's, der einen Hamburger zubereitet.
Das Licht im Raum war so grell, dass ich die Augen zukneifen musste; aber nach und nach öffnete ich sie zu Schlitzen, zu Spalten, dann komplett und schaute mich um.
Wir alle befanden uns im Auflieger eines LKWs, einem großen Achtachser. Ich konnte die Radkästen in regelmäßigen Abständen über die gesamte Länge erkennen. Der Auflieger war zu einer Art mobiler Kommandozentrale mit Gefängnis umfunktioniert. Entlang der Wände standen Stahltische, darüber schicke Flachbildschirme an Schwenkarmen, mit denen die Benutzer die Schirme im Halbkreis um sich herum anordnen konnten. Vor jedem Tisch stand ein Wahnsinns-Bürostuhl mit genug Reglern, um jeden Millimeter der Sitzfläche einzeln zu verstellen, Höhe und Neigung in jeder Achse sowieso.
Dann war da noch der Gefängnisbereich - vorn im Truck, möglichst weit weg von den Türen, waren Stahlschienen an den Wänden befestigt, und an diese Schienen hatte man die Gefangenen angekettet.
Van und Jolu entdeckte ich sofort. Mag sein, dass Darryl sich unter dem übrigen Dutzend dort hinten befand, aber das war nicht zu erkennen - einige von ihnen lagen übereinander und versperrten mir die Sicht. Es stank
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