Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
ich mal beim Bau von so was geholfen, es war ein Nebenzweig ihres Raumfahrtprogramms. Wir hatten auch einen Wetterballon mit zwei Kameras bis in die oberen Atmosphärenschichten gebracht, wo er Bilder von unserem Planeten schoss, auf denen man ihn deutlich als die Kugel erkannte, die wir normalerweise nie sehen. Ballons wie die hier waren so leicht und fragil wie eine Plastiktüte, doch wie sie sich an Ort und Stelle hielten, war schon unheimlich – man konnte sie mit dem Finger anstupsen, und sie wehten davon wie Löwenzahn, nur um dann mit präzisen Stößen ihrer kleinen Propeller wieder an exakt dieselbe Stelle zurückzukehren. Damals hatten sie mich an Quallen erinnert, auf eine Art, die alles andere als positiv war: Sie waren wie gehirnlose schwebende Aliens, vor denen man instinktiv Furcht empfand. Als ob sie vielleicht einen Stachel hätten und nur darauf warteten zuzustechen.
In perfekter Synchronisation entluden sich die Gaskanister unter ihren Bäuchen. Es gab ein Plopp wie von Popcorn, wenn es platzt, wir schauten nach oben, und im nächsten Moment …
… Panik.
Das Gas war in etwa vier bis fünf Metern Höhe freigesetzt worden. Das war so hoch, dass sich eine Wolke bilden konnte, der man einen Moment lang richtig beim Sinken zusehen konnte, was wir auch taten. Als uns schließlich dämmerte, was wir da sahen, versuchten wir, uns hinzuwerfen oder auch wegzurennen, um dem chemischen Gift zu entkommen.
Ich wurde hierhin und dorthin gestoßen, zu Boden gerissen, niedergetrampelt – ein schwerer Stiefel traf mich am Kopf, ein anderer erwischte meine Niere – , dann stellten mich fremde Hände wieder auf die Füße, nur damit ich abermals umgestoßen wurde.
Gleich darauf setzte das Würgen ein. Die Menschen übergaben sich unter erstickten Schreien. Vielleicht war es das Gas selbst, das den Brechreiz verursachte, vielleicht versuchten die Körper der Opfer auch bloß verzweifelt, die fremde, giftige Substanz wieder auszuscheiden. Bald war ich überall mit Kotze vollgespritzt und rutschte darin aus, als ich mich erst auf die Knie und dann mühsam wieder auf die Füße kämpfte.
Ein bisschen Gas war auch durch meine Maske gedrungen. Obwohl es nicht viel war, hatte ich Probleme zu atmen, und mir tränten die Augen unter der Brille, weil mir die Reizstoffe durch Stirn- und Nebenhöhlen stiegen. Ich war halb blind, und es war dunkel, und ich konnte nur an eines denken: Ange.
Ich hielt nach ihr Ausschau, konnte sie aber nirgends entdecken. Die ersten Leute waren wieder aufgestanden, und erst hörte, dann sah ich auch Copter und andere Fluggeräte über uns hinwegziehen. Bestimmt waren sie mit Nachtsichtgeräten bestückt und schossen ein paar schöne, klare Bilder von jedem mit Brille und Maske – den »Unruhestiftern«, die schon damit gerechnet hatten, dass die Polizei chemische Kampfstoffe gegen sie und ihre Meinungsäußerungen einsetzen würde.
Ich rief nach Ange. Die Maske dämpfte meine Stimme, und als ich tief Luft holte, um lauter zu rufen, saugte ich die Chemikalien, die sich im Stoff festgesetzt hatten, durch das Gewebe ein. Hustend krümmte ich mich zusammen und musste mich arg beherrschen, um nicht selbst zu kotzen. Ich wollte aber nicht in meine Maske kotzen, und ich wollte meine Maske auch nicht absetzen und dadurch mein Gesicht enthüllen.
Ich begann, den Leuten um mich herum auf die Beine zu helfen. Ich hatte keine Ahnung, wo Ange steckte, aber wenn sie eine derjenigen war, die sich gerade in ihrer eigenen Kotze am Boden krümmten, dann hoffte ich, dass auch ihr jemand half.
Gerade streckte ich die Hände nach einem großen Kerl mit militärischem Bürstenschnitt aus, der sich stöhnend den Kopf hielt, als mich plötzlich etwas innehalten ließ. Ich stand wie festgefroren vor irrationaler Angst, als wäre mir ein Eiszapfen durchs Rückgrat gefahren, und starrte ihn an. Und da sah ich es – hässliches, knotiges Narbengewebe, das ihm vom Scheitel bis zum feisten Nacken reichte. Ich hatte ihn schon einmal gesehen, vom Rücksitz einer pechschwarzen luxuriösen Limousine aus, deren Hintertüren keine Griffe hatten: Es war Knotenkopf, der Kerl von Zyz.
13
Er war bloß ein paar Meter hinter mir. Nahe genug, mich im Auge zu behalten, falls das seine Aufgabe gewesen war. Aber nicht so nahe, dass er mich hätte schnappen können, falls es ihm darum gegangen war.
Ich machte einen Schritt zurück, trat irgendjemandem auf die Finger, riss meinen Fuß zurück und wäre fast in den Pfützen aus
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