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Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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Millionenfrage lautete also: Gab es genügend Schaltkreise in ihrem doofen kleinen Elektroschocker, dass ein elektromagnetischer Impuls ihn außer Gefecht setzen konnte?
    Da stieß ich mit einem alten Mann zusammen, dessen Gesicht mit Tränen und Schmutz verschmiert war. Er stand ganz plötzlich vor mir, riss die Augen vor Schreck weit auf und hatte kaum Zeit zu reagieren, als wir auch schon in einem großen Durcheinander zu Boden gingen. Ich spürte, wie Carrie Johnstone wieder fester zupackte, versuchte, erneut diesen speziellen, schmerzhaften Griff anzuwenden, aber abrutschte.
    Ich zog die Beine an, schnellte wie ein gejagtes Kaninchen hoch und sprang davon. Zunächst kämpfte ich mich auf allen vieren durch die Menge, dann rannte ich blindlings durch die Dunkelheit. Hinter mir hörte ich wütende Schreie und fragte mich, ob sie von den Menschen stammten, die ich umgestoßen hatte, oder ob gerade jemand den rachsüchtigen Händen von Carrie Johnstone zum Opfer fiel. Ich rannte so schnell, dass ich keine Luft mehr bekam, doch ich zwang mich weiterzulaufen, selbst als mir schwarz vor Augen wurde und ich wieder einen Tunnelblick bekam.
    Ich war nach Westen geflohen, und irgendwas an den Gebäuden dort vermittelte mir den Eindruck, dass ich mich vom Zentrum des Protests entfernte und den Randgebieten näherte.
    Vielleicht fand ich ja den Weg zurück in die wirkliche Welt, in der es keine gnadenlosen Verfolger, keine dichtgedrängten Mengen und kein Tränengas gab. Ich klammerte mich an diesen Gedanken, während ich einen Fuß vor den anderen zwang und unter meiner feuchten, mich erdrückenden Maske wie ein Fisch nach Luft schnappte.
    Es würde nicht klappen. Ich schaffte es einfach nicht. Jeden Augenblick würde ich stürzen, und dann würde Carrie Johnstone mich in ihrer Gewalt haben. Selbst ohne den Taser würde sie mich jetzt tragen müssen – alles in mir war zum Zerreißen gespannt, konnte jeden Moment zusammenbrechen, und sobald ich aufhörte, mich zu bewegen, würde ich nicht wieder aufstehen.
    Doch vor mir konnte ich schon den Rand der Menge erkennen, die Stelle sehen, an der die Menschenmauer endete und die Stadt begann. Nur noch ein paar Schritte. Ferne Lichter funkelten durch meine beschlagenen Brillengläser. Ich war so darauf fixiert, dass ich zunächst nicht einmal die Phalanx der Polizisten bemerkte, die den Protest von der wirklich Welt abschnitt, eine lange Reihe behelmter Männer mit Büscheln von Plastikfesseln am Gürtel, versteinerten Gesichtern, die Hände in schwarze Handschuhe gegossen. Kurz darauf hätte ich bei ihrem Anblick beinahe angehalten, doch ich tat es nicht – vielleicht war es da auch schon zu spät. Wie auch immer, zumindest würde mich Carrie Johnstone wohl kaum aus einem Gefängnis entführen können.
    Noch ein Schritt, zwei Schritte, dann krachte ich in einen Polizisten. Als er meine letzten stolpernden Schritte abfing, konnte ich das Aftershave und den Hamburger in seinem Atem riechen. Er packte mich, warf einen Blick auf meine Maske und die Schutzbrille, entdeckte die Plastikfessel an meiner linken Hand, schnappte sich das freie Ende, riss meinen Arm herum, dann auch den anderen, und zog sie zu. Ein anderer Polizist trat vor, nahm mich entgegen und schleppte mich zu einem der wartenden Busse, die ich schon von den Luftaufnahmen unserer Copter kannte. Die ganze Prozedur führte er so unpersönlich durch, als beförderte er einen Kartoffelsack.
    Bevor er mich in den Bus verfrachtete, durchsuchte er mich noch. Er wollte schon nach meinem Handy greifen, zögerte dann aber wegen der ganzen Kotze, die ich abgekriegt hatte.
    »Ist das dein Handy?«, fragte er.
    »Ja. Ist aber kaputt.«
    »Okay. Sie nehmen es dir nachher sowieso ab.«
    Im Bus, in dem es ziemlich dunkel und still war, hockten mehr als zwanzig Menschen. Manche jung, andere alt, viele dunkelhäutig oder asiatisch, ein paar auch weiß. Das Innere war wie in einem Schulbus, abgesehen von den Stahlgittern, die den Fahrersitz und das Heck vom Rest des Busses abtrennten. Auf jeder Bank saßen zwei Leute, und die Polizisten füllten den Bus von hinten nach vorne. Ich landete ungefähr in der Mitte. Mein Nachbar war ein Typ in schwarzen Jeans und Sweatshirt, der das Bewusstsein verloren hatte. Sein Atem ging ziemlich flach. Der Polizist, der mich zu ihm führte, sprach kein Wort und drückte mich auf eine Art auf den Sitz, die weder feindselig noch freundlich, sondern einfach nur unpersönlich war. Ich stieß den Typen neben

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