Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
irgendwelchen Datensammlern dumm und dämlich verdienen.«
»Kann schon sein.« Und ich fragte mich, wie viele davon ihren Gehaltsscheck vielleicht von Carrie Johnstone bekamen – und ob es sein konnte, dass sie längst bei uns im Darknet saßen und uns verarschten.
Ich nahm mir eine lange Mittagspause (und hatte ein total schlechtes Gewissen deswegen, schließlich war erst mein vierter Arbeitstag), um mich mit Ange und Jolu am South Park zu treffen, der für uns alle ungefähr gleich weit weg war. Es war ein etwas runtergekommener kleiner Park in South of Market; aber eine Menge IT -Start-ups hatten dort ihre Heimat gefunden, von daher trieben sich die richtigen Leute da rum. Ich fühlte mich wohl unter den ganzen Nerds.
Jolu kam als Erster und wirkte so abgeklärt und ruhig wie immer. Ein paar Leute, die auf den Bänken ringsum ihr Mittagessen aßen, erkannten ihn und winkten ihm zu.
»Wie kriegst du das hin?«, fragte ich ihn, als er sich zu mir setzte.
»Was denn?« Er lächelte, als wäre alles nur ein großer Witz.
»Oh Mann. Dass du so cool bleibst bei der Sache. Ich scheiße mir vor Angst fast in die Hosen. Deshalb sehe ich auch aus, als ob ich mich im Dunkeln angezogen hätte. Ich weiß nicht mal, wie ich’s hinkriege, dass meine Frisur nicht wie mit fünfzehn aussieht, aber du, du bist einfach so stylish. «
Sein Grinsen verbreiterte sich. »Kann ich dir auch nicht sagen. Ich war lange genug ständig nervös und hab mich gefragt: Seh ich auch ›cool‹ aus, krieg ich jetzt Ärger, geht die Welt jetzt den Bach runter, oder was? Und irgendwann hab ich mir einfach gesagt, scheißegal, was passiert, ich mach es nicht besser, wenn ich mich wie der letzte Spacko anstelle. Also hab ich’s einfach gelassen. Das ist alles.«
»Du bist echt ein Zen-Meister, kann das sein?«
»Probier’s einfach mal, Kumpel. Du wirkst etwas abgestresst, wenn ich das so sagen darf.«
»Na ja, du weißt ja: Hast du Schiss und bist allein, lauf im Kreis mit lauten Schrei’n.«
» Ja, ich erinnere mich. Hast du früher oft genug gesagt. Ich frag mich halt bloß, bringt’s das denn wirklich?«
Ich schloss die Augen und rieb mir die Hände an der Hose. »Im Moment eher nicht so.«
»Dann versuch doch einfach mal, dich ein, zwei Minuten lang abzuregen und einen kühlen Kopf zu bewahren. Wär das vielleicht ’ ne Idee?«
Bei irgendjemand anderem außer Jolu wäre ich vielleicht beleidigt gewesen, aber ich kannte ihn jetzt schon ewig, und er kannte mich besser als irgendwer sonst auf der Welt. Ich dachte an das Gefühl des Friedens im Tempel, als ich zwischen all den Gongs und Omms im Staub gelegen und die Ruhe mich umspült hatte wie ein warmes Bad. Ich konnte mich zwar daran erinnern, aber ich konnte es nicht fühlen. Und je mehr ich danach jagte, desto weniger funktionierte es.
Jolu legte mir die Hand auf die Schulter und schüttelte mich sanft. »Ganz ruhig, Großer. Brich dir jetzt keinen ab. Du siehst ja aus, als würdest du mir gleich eine Lektion in Kung-Fu erteilen. Du sollst dich aber entspannen, nicht verkrampfen. Wenn das anstrengend ist, machst du irgendwas falsch.«
Ich kam mir vor, als hätte ich total versagt. Ich überspielte es, indem ich mir theatralisch an den Kopf fasste, wie ein Künstler, der eine Schaffenskrise durchleidet.
»Übertreib es nicht. Denk einfach gelegentlich dran, okay? Was in der Welt alles passiert, entzieht sich meistens unserem Einfluss. Was in unseren Köpfen abgeht, das können wir selbst bestimmen – zumindest in der Theorie. Mir ist schon aufgefallen, dass du häufig versuchst, die Welt zu verändern. Aber wie es dir dabei geht, da steckst du nicht halb so viel Energie rein. Ich sag ja nicht, dass es falsch ist, was ändern zu wollen. Aber du könntest auch mal eine Weile mehr für dich selbst tun und schauen, was dann passiert. Vielleicht bringt das ja was.«
Er lächelte, als er das sagte, und ich wusste, dass er kein Arsch sein wollte, schämte mich aber trotzdem.
Wahrscheinlich, weil ich wusste, dass er recht hatte. Mein ganzes Leben lang hatten die Leute mir gesagt, ich solle mich locker machen, es ruhig angehen lassen, aber aus irgendeinem Grund fiel mir das furchtbar schwer, während ausflippen total einfach war.
Mittlerweile schaute er eher besorgt. »Okay, vergiss es einfach. Ich hab es nur angesprochen, weil du gefragt hast. Lass uns über unser Problem reden, okay? Also: Was verdammt noch mal ist los im Darknet? Wer schaut uns da über die Schulter? Was haben
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