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Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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hatte, war das dann »Zufall« gewesen – hatte einfach irgendwer auf der Suche nach Schwachstellen meinen Computer in einem ungeschützten Moment überrascht? Das war doch ziemlich unwahrscheinlich. Oder war es »Absicht« gewesen – stand also auch ich auf jemandes Abschussliste? War hier der Zufall am Werk, oder steckte ein System dahinter? Genau wie Gödel war ich mir da nicht mehr so sicher.
    Ich weiß nicht, was Jolu Restless Agent und seinen übrigen Freunden erzählt hatte, aber niemand im Chat machte Ange oder mir Vorwürfe. Wer Jolus Freunde eigentlich waren, wusste ich immer noch nicht, und ich wollte es auch nicht wissen, aber ich ging davon aus, dass es Arbeitskollegen waren und er nach dem Essen persönlich mit ihnen geredet hatte – hoffentlich in sicherem Abstand von irgendwelchen verwanzten Computern.
    Trotzdem war natürlich allen die Lust vergangen, im Darknet viel zu chatten, solange wir nicht wussten, wer dort alles mitlas und wie er das tat.
    Lange nachdem Liam als Letzter Joes Wahlkampfbüro verlassen hatte, saß ich noch an meinem Tisch und starrte meinen Laptop an, als hätte sich eine Giftschlange darin verborgen. Ich war länger geblieben, um mit meiner Arbeit fertig zu werden und die längere Mittagspause auszugleichen. Außerdem wollte ich meinen Laptop nicht zu Hause entwurmen – schon gar nicht, wenn ich ein ganzes Büro voller überzähliger Rechner zur Verfügung hatte.
    Theoretisch konnte es nicht schwierig sein, mein System wieder und noch besser abzusichern. Ich brauchte eine neue Festplatte mit einem verschlüsselten Dateisystem. Dann musste ich meinen Rechner (oder irgendeinen Rechner) von einem bootfähigen Medium frisch aus dem Internet starten – wobei ich natürlich genau auf die Prüfsumme achten musste, um hundertprozentig sicher zu sein, dass der Download auch sauber, unberührt und virenfrei war. Damit würde ich dann ein frisches ParanoidLinux installieren, meine Nutzerdaten von der alten Platte auf die neue kopieren und auf diese Weise meinen Computer mit einem neuen, nach allen Maßstäben vertrauenswürdigen Gehirn ausstatten, das zugleich über alle Erinnerungen des letzten verfügte. Zum Glück lagen in Joes Büro genügend Laptops und Festplatten herum, die niemand mehr brauchte – alte Laptops sind so etwas, das man einfach nicht wegwerfen will, selbst wenn sie irgendwann recht antiquiert sind. Von daher hatten sich dank Joes zahlreicher Unterstützer eine Menge Ersatzteile bei uns angesammelt.
    Kniffliger war es da schon rauszufinden, ob der alte Rechner überhaupt je infiziert gewesen war. Wenn jemand am Kernel rumgespielt hatte – am Herz des Betriebssystems, wo Spyware natürlich am meisten Schaden anrichtet – , dann würde ich ihn Zeile für Zeile durchgehen müssen, um zu schauen, ob mir irgendwelche Ungereimtheiten auffielen (was so etwa hundert Jahre dauern dürfte). Oder aber ich besorgte mir einen identischen Kernel aus einer vertrauenswürdigen Quelle und verglich die Prüfsummen. Das Problem war, dass ich mein Betriebssystem über die Jahre so häufig gepatcht und getweakt hatte, dass es fast unmöglich war, das exakt zu reproduzieren. Ich würde also nie mit Sicherheit wissen, ob die Unterschiede im direkten Vergleich einfach daran lagen oder mein System tatsächlich verseucht gewesen war.
    Mein Laptop stand auf dem Tisch und schaute mich mit seiner kleinen Webcam an – ein Ring, nicht größer als ein Reiskorn. Das Mikrofon war nur ein stecknadelkopfgroßes Loch im Rahmen. Das Erste, was ich heute nach der Mittagpause gemacht hatte, war, mir eine Rolle Duct Tape zu besorgen. Ich war fest entschlossen gewesen, Webcam und Mikro einfach zuzukleben.
    Ich hatte es aber nicht gemacht. Ich kam mir einfach paranoid vor. Ich war paranoid. Wenn wirklich jemand Zugriff auf meinen Laptop hatte, wusste dieser Jemand mehr über mich als irgendwer sonst. Doch bislang hatte dieser Jemand nichts anderes getan, als genau die Dokumente zu leaken, die ich am liebsten selbst veröffentlicht hätte. Vielleicht war dieser Jemand einer von den Bösen. Vielleicht stand dieser Jemand aber auch auf meiner Seite, auf irgendeine verquere Art und Weise. Ich versuchte, mir ein Bild von dem Schnüffler zu machen, und sah als Erstes einen Siebzehnjährigen vor mir, ähnlich wie ich vor ein paar Jahren: süchtig nach dem Kick, genau das zu tun, was er nicht sollte. Oder es war ein alter, verknöcherter FBI -Agent, der an seinem Schreibtisch in Quantico versauerte und

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