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Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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Sicht. So schnell es ging, lief ich zurück zum Tempel, um Ange zu suchen.

2
    Beim Burning Man wird eine Menge Kram verbrannt. Erst mal natürlich die Figur, nach der das Festival benannt ist. Das findet am Samstagabend statt, und ich hatte es auf Video schon aus hundert Perspektiven gesehen, mit vielen verschiedenen Figuren (der Mann sieht jedes Jahr etwas anders aus). Es ist ein sehr ursprüngliches, wildes Spektakel. Die Leute sind total außer sich, und die Sprengsätze im Sockel der Figur gehen wie riesige Pilzwolken hoch. Verglichen damit ist die Verbrennung des Tempels Sonntagnacht eine ruhige und feierliche Angelegenheit. Doch vor diesen großen Events gibt es schon zahlreiche kleinere.
    Letzte Nacht wurde zum Beispiel die regionale Kunst verbrannt. Feuerliebhaber aus der ganzen USA , aus Kanada und dem Rest der Welt hatten atemberaubende hölzerne Objekte gebaut, unter denen sich alles von der Größe einer Parkbank bis zu dreistöckigen, verspielten Türmen fand. Diese Kunstwerke säumten die weite, offene Fläche inmitten des Halbkreises von Black Rock City, und da sie als Erstes verbrannt werden würden, hatten wir sie uns gleich am Tag unserer Ankunft angesehen. Als es dann gestern soweit war, konnte man gar nicht alles auf einmal verfolgen: Die Objekte wurden gleichzeitig verbrannt, und jedes brannte auf seine ganz eigene Art. Die Menschen scharten sich um die Flammen, wobei die Black Rock Rangers ein Auge darauf hielten, dass niemand zu nahe kam, ehe die zusammengestürzten Holzhaufen nicht einen halbwegs stabilen Eindruck machten. Alles wurde auf eigens dafür vorgesehenen, feuerfesten Plattformen verbrannt, denn das Motto »Keine Spuren hinterlassen« betraf sogar Brandspuren.
    Das war schon alles ziemlich spektakulär gewesen. Heute Abend aber war die Bibliothek von Alexandria dran. Natürlich nicht die echte – die hatte Julius Cäsar (oder ein anderer Römer) schon 48 vor Christus angezündet. Diesem Brand fiel die größte Sammlung von Schriften zum Opfer, die je existiert hatte. Es war sicher nicht die erste Bibliothek, die verbrannt war, und es blieb auch nicht die letzte, aber dieses Ereignis stand wie kein anderes der Geschichte für die mutwillige Zerstörung von Wissen. Die Bibliothek des Festivals ruhte auf vierundzwanzig großen Rädern und zwölf Achsen und wurde von Hundertschaften Freiwilliger an Seilen durch die Wüste gezogen. Im Inneren wechselten sich kleine Säulen und Nischen voller Schriftrollen ab. Jede dieser Rollen war die handgeschriebene Kopie eines gemeinfreien Buchs von Project Gutenberg. Ein ganzes Jahr hatten die Freiwilligen dafür gebraucht. Fünfzigtausend Bücher hatten sie heruntergeladen und von Hand auf Papier übertragen – und alle diese Bücher würden verbrannt werden.
    BIBLIOTHEKEN BRENNEN : Diese Botschaft fand sich in unregelmäßigen Abständen überall in der Bibliothek an die Wände geschrieben. Auch die Helfer, die einem die Rollen brachten und bei der Suche nach einer bestimmten Textstelle halfen, wurden nicht müde, einen daran zu erinnern. Ich hatte mich für eine lustige Geschichte von Mark Twain entschieden, an die ich mich noch aus der Schule erinnerte. Sie handelt von seinen fiktiven Gehversuchen als Herausgeber einer landwirtschaftlichen Fachzeitschrift, und es freute mich sehr, dass sich jemand die Mühe gemacht hatte, sie auf eine Rolle aus zusammengeklebtem liniertem Schulheftpapier zu schreiben. Die ganze Rolle war sicherlich hundert Meter lang.
    Als ich der Bibliothekarin beim Aufrollen half – auch sie fand die Geschichte von Twain wirklich lustig – , sagte ich nebenbei: »Schade, dass das alles verbrannt wird.«
    Sie lächelte traurig. »Schon, aber genau darum geht es doch: Neunzig Prozent aller urheberrechtlich geschützten Bücher sind verwaist. Niemand weiß, wer die Rechte an ihnen besitzt und wie man sie nachdrucken könnte. Und in der Zwischenzeit verfallen die wenigen Ausgaben, die es noch gibt, oder gehen verloren. Denk es dir als eine Bibliothek, die größte, die es jemals gab, neunzig Prozent von allem, was je geschrieben wurde – und sie verbrennt, ganz langsam. Bibliotheken brennen.« Sie zuckte die Achseln. »So ist das nun mal. Aber irgendwann kriegen wir es vielleicht hin, so viele Kopien von den kreativen Leistungen der Menschheit herzustellen, dass wir die meisten davon vor dem Feuer bewahren können.«
    So las ich meinen Mark Twain und spürte den Boden unter mir sanft schaukeln, während die Bibliothek von

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