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Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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dich«). Dann, bam, brach auf einmal ein ganzer Datenstrom aus meinem Computer hervor. Die Daten waren verschlüsselt, von daher wusste ich es nicht genau, aber ich nahm mal an, dass es sich um einen Mitschnitt meines Bildschirms, meiner Webcam und meines Mikros handelte.
    Hadoop hatte ein paar Analysetools, die noch weiter gingen und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nahelegten, dass diese Datenpakete von Kphone, einem kostenlosen Skype-ähnlichen Programm für Videotelefonie, und VNC , das ich auch benutzte, verursacht wurden. Das ergab durchaus Sinn: Wenn man sich einen Trojaner basteln wollte, um die Rechner anderer Leute zu übernehmen, war es am einfachsten, ihn aus verlässlichen, erprobten Komponenten zusammenzusetzen. Dann konnte man ihn sogar mit ganz normalen Updates aktuell halten, quasi huckepack mit den normalen Releases. Ich würde jede Wette eingehen, dass der Überwachungskram aus unseren Leaks fast dasselbe machte. Bullen und Kriminelle bedienten sich derselben Waffen – und die Bürger waren die Dummen in der Mitte, die sie abbekamen.
    Dann fiel mir etwas auf, was mir gleich ins Auge hätte springen sollen: Das »Ich sehe dich«, die Bildschirmmitschnitte und der Webcamfeed gingen alle an verschiedene IP -Adressen. Ich überprüfte sie mit Google, und natürlich waren es alles Tor-Exit-Knoten. Meine Stalker verschlüsselten also nicht nur ihren Datenverkehr, sie schickten ihn auch kreuz und quer durchs Netz, damit ich nicht sah, wo sie saßen. Irgendwo dort draußen stand ein Server wie der, den wir selbst benutzten, nur dass die Knöpfe auf ihm mit »Marcus Webcam«, »Marcus Mikro«, »Marcus Bildschirm« und »Marcus Festplatte« beschriftet waren.
    Mit anderen Worten: Sie hatten genau die Technologie, mit der ich meine Privatsphäre schützte, dazu verwendet, ihre eigene zu schützen, während sie mich ausspionierten. Das war schon bittere Ironie.
    Leider brachte mir das alles nichts. Mein Laptop war mittlerweile wieder einsatzbereit. Ich hatte sogar das BIOS plattgemacht – den Teil des Computers, der dem Rest sagt, wie er überhaupt hochfährt. Das war zwar recht mühselig gewesen, aber ich wäre mir sonst ziemlich leichtsinnig vorgekommen. Zwar galt es als extrem schwierig, das BIOS eines fremden Rechners aus der Ferne zu infizieren, doch wenn ich mir schon die Mühe machte, von vorn zu beginnen, dann richtig. Wenn man nach dem Verlust seines Schlüsselbunds alle Schlösser am Haus auswechselt, lässt man ja auch nicht die Fenster offen.
    Dann waren das BIOS geflasht, der Computer wiederhergestellt und die Trolle endlich ausgesperrt. Ich löschte die Lichter im Wahlkampfbüro, warf mir meine Jacke über, aktivierte die Alarmanlage und trat auf die nächtliche, kühle Straße hinaus.
    Direkt in die Arme der finsteren Gestalten, die in ihrem Auto auf der anderen Straßenseite auf mich gewartet hatten.
    Ich war schon zweimal entführt worden. Das hier war nicht das Brutalste, was ich in dieser Hinsicht schon durchgemacht hatte (das war an dem Tag passiert, als die Bay Bridge hochging, der Heimatschutz uns auf der Market Street festnahm und zusammenschlug, als wir wissen wollten, was los war). Es war auch nicht so entsetzlich beängstigend wie damals (als ich eine ganze Pizza in den Sack erbrach, den mir Carrie Johnstones Team über den Kopf gezogen hatte, und davon überzeugt war, an meiner eigenen Kotze zu ersticken). Es lief alles so glatt und professionell, dass ich den Entführern eine Auszeichnung für Kundenzufriedenheit verliehen hätte, wäre ich nicht gerade am Ausflippen gewesen.
    Sie stiegen in perfekter Choreografie aus dem Wagen, kaum dass ich aus der Tür trat. Zwei Typen, groß und kräftig, die diesen besonderen Bullentouch hatten, bei dem sich meine Halsmuskeln immer straff wie die Saiten eines Tennisschlägers spannen. Einer blieb am Straßenrand stehen, schirmte mich ab und behielt mit raubtierhafter Aufmerksamkeit die Umgebung im Blick. Der andere überbrückte die Distanz zwischen uns mit drei raschen Schritten, bis er direkt vor mir stand, und klappte kurz einen laminierten Heimatschutz-Ausweis auf, der schneller, als ich schauen konnte, auch schon wieder in der Tasche verschwand. Es wirkte wie der Kartentrick eines Zauberkünstlers.
    »Marcus«, sagte er, »wir würden dich gerne mal kurz sprechen.«
    Hast du Schiss und bist allein …
    »Dann hätte ich gern einen Anwalt dabei«, erwiderte ich.
    »Den brauchst du nicht, es geht nur um ein inoffizielles Gespräch.«

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