Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
schlafen und sich Essen aus dem Abfall angeln. Und wir brauchen Leute wie sie. Wir kennen sie schließlich, ein paar von uns haben früher mit ihr gearbeitet. Uns gefällt ihre Arbeit, sie macht sie auch gut. Wir haben sie weder zusammengeschlagen noch ihr die Fingernägel gezogen oder heißes Wachs auf die Haut getropft. Wir haben ihr einfach nur einen Job angeboten – und sie hat ihn angenommen.«
Diese Lüge war so platt, dass ich beinahe losgelacht hätte. Was immer man von Masha halten mochte, sie hatte sich ganz sicher nicht auf einen Deal mit diesen kranken Arschlöchern eingelassen.
Andererseits, wie gut kannte ich sie wirklich? Schließlich hatte ich sie bloß dreimal getroffen. Das Meiste, was ich von ihr wusste, war Hörensagen, und ihre Reputation war nicht gerade makellos.
Aber Zeb … Zeb hätte sich ganz bestimmt nicht darauf eingelassen. Und ich hatte Masha und Zeb ja erlebt. Sie hielten zusammen. Zumindest hatte es so ausgesehen.
»Und was ihre bessere Hälfte betrifft«, sagte Timmy, der wohl wieder meine Gedanken las – oder mein beschissenes Pokerface – , »so ist der Kerl für uns mehr oder weniger nutzlos. Wir haben ihr aber gesagt, dass wir ihn erstmal dabehalten, falls sie ihn noch will. Ist ja nicht so, dass er viel Platz wegnähme oder uns die Kleider vom Leib fräße. Jeder hat das Recht auf ein Haustier. Eigentlich war sie ja fertig mit ihm. Nicht dass ich jetzt in die intimen Details eingeweiht wäre, aber sie hatten da wohl eine Meinungsverschiedenheit, und er hat seinen eigenen Weg gewählt. Wahrscheinlich hältst du uns für die Bösen hier. Das sind wir aber nicht. Wir sind keine Monster. Wir sind die Guten, Marcus.«
Klar, weil die Guten auch immer gern Leute entführen. Die Guten jagen in der Wüste mitten in einer Menschenmenge Autos in die Luft, sodass haufenweise Leute im Krankenhaus landen. Wahre Unschuldsengel. Das dachte ich mir zwar, sagte es aber nicht laut.
»Wie wäre es, wenn wir dich zu ihr brächten? Das können wir gerne machen. Wäre allerdings eine etwas längere Reise. Könnte eine Weile dauern.«
»Bist du auch brav gegen alles geimpft?«, fragte der Typ vom Fahrersitz mit gehässiger Fröhlichkeit. »Sonst willst du da nämlich nicht hin.«
»Das ist wohl war. Aber wenn wir dich nur so überzeugen können, bieten wir das gerne an. Wer weiß, vielleicht könnten wir ja auch dich gebrauchen. Schließlich bist du ja nicht auf den Kopf gefallen und damit schon mal schlauer als die meisten Schafe da draußen. Wahrscheinlich hast du aber gerade keine Lust auf eine längere Reise, hab ich recht?«
Der Fahrer ließ den Wagen an und lenkte ihn auf die Straße. Timmy legte mir warnend die Hand auf die Brust, bevor ich etwas Dummes tun konnte. Dann glitt zwischen Vordersitz und Rückbank eine schwarze Scheibe hoch, und die Fenster dunkelten sich ab. Das einzige Licht kam nun von der kleinen Lampe über uns.
»Wohin fahren wir?«, fragte ich und klang wie das verängstigte kleine Kind, das ich in dem Moment auch war.
»Nur irgendwohin, wo wir ungestört sind. Freut mich, dass du kein Problem damit hast, Marcus. Also, unterhalten wir uns.«
Wäre ich ein Superspion, hätte ich die Fahrt damit verbracht, die Hügel San Franciscos zu zählen und auf die verräterischen Geräusche des Verkehrs zu lauschen, um irgendeinen Hinweis darauf zu erhalten, wohin die Reise ging. Aber San Francisco ist voller Hügel, und wer immer die voneinander unterscheiden kann, während er zu Tode verängstigt in einem abgedunkelten Wagen mitfährt, ist hier wohl mehr daheim als ich.
Timmy summte währenddessen leise vor sich hin. Er hatte mir Jacke und Rucksack abgenommen und sammelte alles an Elektronik ein, was er finden konnte: Laptop, Handy, Ebook-Reader, selbst den kleinen Spannungsprüfer, mit dem ich die Verkabelung im Büro getestet hatte. Dann nahm er aus jedem Gerät die Batterie raus und steckte es in einen großen Plastikbeutel. Alles andere wanderte nach kurzer Inspektion zurück in den Rucksack, mit Ausnahme meines Multitools, eines praktischen kleinen Leatherman, den ich mithilfe des Equipment im Noisebridge mit einer zuckerapfelroten Emailleschicht verkleidet hatte. Er drehte und wendete ihn ein paarmal, dann klappte er die Klinge aus, strich mit dem Daumen darüber – ich hielt sie rasiermesserscharf – und nickte beifällig. »Nicht schlecht«, meinte er, und auf irgendeine dämliche Weise war ich stolz, dass dieser knallharte Ninja-Typ mein Messer gut fand.
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