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Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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Leaks hatten, die genaue Anzahl der Kopien, die Passwörter und Schlüssel. Sie sollten mir Angst einjagen. Sie hatten mir Angst eingejagt – ich fühlte mich, als müsste ich mich jeden Moment übergeben. Fast hätte ich mir in die Hose gemacht.
    Eigentlich aber … fühlte ich mich, als würde ich gerade ertrinken. Als hätte man mich mit Frischhaltefolie über dem Mund auf ein Brett gebunden und nach hinten gekippt und ließe nun Wasser durch meine Nase in meine Luftröhre fließen. Mein Hustenreflex setzte ein, ich musste mich anstrengen, um überhaupt noch Luft in meine Lunge zu zwängen. Jedes Mal, wenn ich hustete, wölbte sich die Folie, und ein kleines bisschen kostbare Luft ging meiner Lunge verloren. Jedes Mal, wenn ich einatmen wollte, schloss die Folie aber luftdicht ab, und ich saugte mir nur noch mehr Wasser in die Luftröhre. Meine Lungenflügel leerten sich und begannen in sich zusammenzufallen, während in meinem Gehirn ein schreckliches Feuerwerk abbrannte – die letzten Lichter und Geräusche eines panischen Organs vor dem Absterben.
    So fühlte ich mich.
    Ich schwitzte nun am ganzen Körper. Ein schreckliches Gefühl lastete auf meiner Brust. Es war die Gewissheit, dass ich mich in der Gewalt von Menschen befand, die davon ausgingen, dass sie alles mit mir tun konnten und nie Konsequenzen dafür würden fürchten müssen.
    »Mensch, Marcus, beruhig dich doch mal, okay? Wir wollen dir doch gar nichts tun.«
    Ich hasste mich für meine Schwäche. Ich hatte mir mal im Schlaf einen Nerv oder etwas in der Art geklemmt, und als ich morgens aufstand, hatte sich mein Bein wie ein wackliges Holzbein angefühlt, hatte nachgegeben, und ich war aufs Gesicht gestürzt. Jetzt fühlte es sich an, als ob ein anderer Teil meiner selbst – mein innerer Frieden, der Ort, an den ich mich im Tempel auf dem Festival zurückgezogen hatte – mich im entscheidenden Moment im Stich gelassen hatte.
    »Ich möchte«, keuchte ich, »einen Anwalt … «
    Er gab mir einen Schlag. Nicht hart – tatsächlich fast sanft. Aber er war schnell, so schnell, dass ich seine Hand nicht mal richtig gesehen hatte und die Bewegung hinterher rekonstruieren musste: Sein Körper hatte sich etwas vorgebeugt, dann wieder zurückgelehnt, und dazwischen hatte sein Arm blitzartig ausgeholt. Mein Gesicht brannte, tat aber nicht richtig weh.
    »Marcus«, sagte er wieder, und diesmal klang seine Stimme streng und väterlich. »Jetzt lass das mal. Wir wollen dir nicht wehtun.« Aber du hast mich gerade geschlagen, oder nicht? Okay, nicht fest – obwohl er das ohne Zweifel gekonnt hätte. Er war einen guten Kopf größer als ich, breitschultrig, und die Muskelstränge auf seinem Unterarm zeichneten sich ab wie bei einem Zeichentrickhelden. »Wir wollen nur mit dir reden. Wenn du das schnell hinter dich bringen willst, solltest du mir jetzt gut zuhören.«
    Ich schaute starr geradeaus.
    »Du hast etwas in deinem Besitz, Marcus. Etwas Wichtiges. Etwas, worüber du mit gewissen … Pissköpfen … in der großen weiten Welt geplaudert hast. Was du da hast, gehört dir aber nicht. Unser Job ist bloß, es zurückzubringen. Sobald wir das geschafft haben, gibt es für uns keinen Grund mehr, dich zu behelligen, und wir sprechen uns niemals wieder.«
    Ich erwog, noch mal nach einem Anwalt zu fragen, sah aber keinen Sinn darin. Also starrte ich weiter geradeaus.
    »Soweit ich weiß, wurdest du von anderer Seite gebeten, das Material zu veröffentlichen.« Was? Ach natürlich, Masha.
    »Besagte Seite hat ihre Meinung diesbezüglich geändert.«
    Ich bemühte mich weiter um ein Pokerface, war aber nicht sonderlich gut darin. Er merkte, dass sich an meinem Ausdruck was änderte.
    »Glaubst du, wir hätten sie zusammengeschlagen oder so? Sie gezwungen, ihre Meinung zu ändern?« Er lachte (aus vollem Hals, wie über einen guten Witz), und sein Freund auf dem Fahrersitz stimmte ein (mit einem bösen kleinen Bellen, das schadenfroh klang, so als amüsierte er sich über jemanden, der ausrutscht und hinfällt). »Marcus, ehrlich. Die Kleine war von ihrem harten Leben einfach total ausgelaugt. Sie hatte keine Lust mehr, von Tortillas und Bohnen zu leben und sich irgendwo in der Pampa zu verstecken. Sie wollte einfach ihr altes Leben zurück, drei warme Mahlzeiten am Tag, ein bequemes Bett, einen großen Fernseher und einen Kühlschrank voller Twinkies – den ganzen Luxus halt. Sie wollte nicht den Rest ihrer Tage als Flüchtling verbringen, unter Zeitungen

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