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Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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machte meinen Arm frei und streckte ihn nach hinten. Ange packte mich unsanft am Handgelenk und schnaubte genervt, als ich vor Schmerzen aufschrie. »Ruhe«, sagte sie, dann spürte ich den Edding auf meiner Haut. Es schien eine kleine Ewigkeit zu dauern. Als ich meinen Arm schließlich wiederbekam, stellte ich fest, dass alle Nullen in der Nummer traurige Smileys waren und alle Achten Totenköpfe. Ich beschloss, dies als Zeichen ihrer Zuneigung zu werten – zumindest tröstete mich der Gedanke.
    Jolus kleines Start-up-Unternehmen bestand aus drei Männern und einer Frau, die sich zwei Tische im hinteren Bereich eines größeren, reicheren Start-up teilten. Sie saßen auf engem Raum auf heruntergekommenen Designerstühlen, die so aussahen, als wären sie schon seit den Jahren des Dotcom-Booms im vorigen Jahrhundert in Gebrauch. Mittlerweile hielt sie nur noch jede Menge Industrieklebeband zusammen.
    Jolu wurde auf uns aufmerksam, als wir uns zwischen den Tischen der anderen Firma durchschlängelten. Von dem Unternehmen hatte ich schon mal gehört, die Leute machten Web-Analysen oder etwas in der Art.
    Zunächst ließ Jolu den Anblick unserer vereinten Gruppe kurz auf sich wirken, dann tippte er der Frau neben sich auf die Schulter, und beide standen auf, um uns abzufangen. »Gehen wir doch ins Konferenzzimmer«, sagte er und zeigte in die Richtung, aus der wir gekommen waren.
    Das Konferenzzimmer war kaum groß genug für uns alle und der Tisch darin eine zweckentfremdete Ping-Pong-Platte (in einem der vollgestopften Regale entdeckte ich das Netz und die Schläger dazu). Aber zumindest hatte es eine Tür, und die schloss Jolu nun hinter uns.
    »Das hier ist Kylie Deveau«, stellte er uns seine Kollegin vor. Sie war eine hübsche schwarze Frau, etwas älter als wir, mit kurzem Haar und einer roten Brille mit runden Gläsern. Lächelnd schüttelte sie uns die Hände.
    »Ihr müsst das Darknet sein«, sagte sie. »Schön, euch endlich persönlich kennenzulernen.«
    »Kylie hat unsere Firma gegründet«, erklärte Jolu. »Ich konnte nicht bei euch mitmachen, ohne sie einzuweihen.«
    »Wäre sonst wohl kaum fair gewesen«, meinte ich.
    »Genau. Eigentlich hab ich’s ihr aber gesagt, weil ich sie für schlauer halte als uns alle zusammen.« Kylie deutete eine knappe Verbeugung an. »Sie hat auch den Kram über Zyz entdeckt. Deshalb seid ihr doch wahrscheinlich hier, oder nicht? Oder gibt es noch eine andere schlimme Verschwörung, die ich aufdecken muss? Dann sollte ich vielleicht davon erfahren.«
    »Nein«, beruhigte ich ihn. »Eine reicht. Schön, dich kennenzulernen, Kylie. Erst mal muss ich euch von einigen Leuten erzählen, die ich gestern Abend kennengelernt habe. Ich sage ›Leute‹, aber die ersten Typen könnten auch einfach Geister oder LOL -Cats gewesen sein, die sich für besonders schlau halten. Und die zweiten waren eher Gorillas oder auch Hyänen.«
    »Ich merke schon, das wird gut.« Jolu nahm Platz.
    »Ich kann gut verstehen, dass ihr die Dokumente jetzt schnell veröffentlichen wollt«, bemerkte Kylie später.
    »Im Ernst?«, fragte Darryl. »Mir kommt es nämlich noch immer wie Selbstmord vor.« Ich zuckte zusammen, als er das Wort aussprach, denn ich musste an all die Ärzte denken, die es für nötig befunden hatten, Darryl wegen Selbstmordgefahr wochenlang unter Beobachtung zu halten.
    Kylie lächelte. »Kann sein. Aber nichts zu tun wäre doch erst recht Selbstmord, oder nicht? Es ist ja nicht so, als ob diese Gestalten Marcus jetzt einfach vergessen würden. Vermutlich haben sie ihn doch nur deshalb laufen lassen, weil ihnen auf die Schnelle nicht einfiel, wie sie ihn loswerden sollen, ohne dass es auf sie zurückfällt. Wie wir nun wissen, haben sie einen guten Draht zu allen möglichen Behörden, gut genug jedenfalls, um einer Staatsanwältin das Haus wegzunehmen. Wahrscheinlich fiele es ihnen nicht allzu schwer, die Polizei einzuschalten, damit die dir mal auf den Zahn fühlt.«
    »So weit hatte ich noch gar nicht gedacht«, gab ich zu. »Ich war geistig noch bei der Sache mit dem Sack überm Kopf und einem Flieger in den Jemen oder so.«
    »Das wär doch viel zu teuer. Hast du eine Ahnung, was Treibstoff heutzutage kostet? Viel billiger, wenn jemand anderes die Ausgaben trägt. Schließlich sind diese Typen die weltgrößten Sozialschmarotzer: erst Regierungsgelder über Militärdienstleistungen abgreifen, damit Wertpapiere raushauen, dann die Regierung dazu bringen, die Gesetze zu ihren

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