Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Ich finde nicht, dass wir mit solchen Schweinen zusammenarbeiten sollten.«
Ich entspannte mich etwas. Gute alte Ange.
»Und was schlägst du stattdessen vor?« Darryls Körpersprache verriet eine deutlich größere Anspannung als gerade eben noch. Ich dachte an sein Geständnis, seinen Wunsch, auch mal der Held im eigenen Film zu sein. Wahrscheinlich war es schon scheiße für ihn, dass Ange ihm dabei in die Quere kam, aber egal – diese Leute waren mir trotzdem zu gruselig.
»Wir wenden uns an die Presse. Schicken einen anonymen Link an Barbara Stratford und erklären ihr, wie sie ins Darknet kommt. Von allen Journalisten auf der Welt kriegt sie das vielleicht noch am ehesten hin. Und wenn nicht, kennt sie genug Leute, die ihr helfen können.« Barbara Stratford schrieb für den Bay Guardian und hatte sich nie gescheut, schmutzige Geheimnisse ans Licht zu bringen. Außerdem war sie eine alte Bekannte meiner Eltern und hatte entscheidend dabei mitgeholfen, mich aus den Fängen von Carrie Johnstones Folterknechten zu befreien. Allerdings arbeitete sie für die traditionellen Printmedien und hatte eine Menge zu verlieren, weswegen sie immer mit großer Umsicht vorging.
»Das klingt einfach zu langsam« , meinte Darryl. »Bis sie die ganzen Dokumente gelesen und durch andere Quellen untermauert hat, sich dann juristisch absichert und einen Artikel schreibt, der vielleicht die Woche drauf erscheint … Wir müssen jetzt damit an die Öffentlichkeit.«
Ange wollte widersprechen, aber Jolu hob abwehrend die Hände. »Es gibt keinen Grund, nicht beides zu tun: Wir sagen deiner Reporterin Bescheid, aber wir stellen die Darknet-Adresse auch online, wo jeder sie findet.«
»Aber wie?«, fragte ich. Ich hatte schon eine Weile darüber nachgedacht. Wie veröffentlicht man etwas und bleibt trotzdem anonym?
Jolu zuckte die Achseln. »Mach dir einen neuen Twitter-Account und benutze ihn über IP redator. Mach dir einen WordPress-Blog, auf dieselbe Art. Auf Facebook kannst du es auch gleich mit neuer ID packen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Das funktioniert doch nie. Wen kümmert ein Twitter-Account, der noch ganz neu ist?«
»Du könntest ihn retweeten, du hast ja Tausende Follower. Oder ich mache es.«
»Super. Da kann ich mir auch gleich ein blinkendes Schild basteln: ›Der neue anonyme Account? Das bin eigentlich ich!‹«
»Stimmt auch wieder«, gab Darryl zu. »Dann bräuchten wir also jemanden, dem wir vertrauen und der seine Freunde bitten kann, das groß rauszubringen und zu retweeten, zu liken oder keine Ahnung. Sodass es schwer zurückzuverfolgen ist.«
Jetzt schüttelte Jolu den Kopf. »Sorry, aber das geht nicht. Denn das würden sie ja in sozialen Netzwerken machen – also genau dort, wo ihre Freundeslisten praktischerweise für alle Welt ausgebreitet sind. Man muss sich nur ihre ganzen Kontakte reinziehen, schauen, welche sie gemeinsam haben, und am Ende der Kette hat man die Liste wahrscheinlicher Kandidaten, die man unter die Lupe nehmen oder gleich mit einer Drohne erledigen kann.«
Darryl verstummte und starrte finster auf den Tisch. Jolu blieb ganz ruhig. »Tut mir echt leid, aber weißt du – so ist die Wirklichkeit halt . Total unpraktisch, dafür real.«
Die ganze Zeit über hatte sich Van eher zurückgehalten, jetzt aber sagte sie: »Kylie, Jolu meinte, du wärst der schlauste Mensch, den er kennt, und dabei ist er selber ziemlich schlau. Hast du nicht vielleicht einen Vorschlag?«
»Na ja, erst mal muss man feststellen, dass das ein echtes Problem ist. Vielleicht das schwierigste überhaupt in diesen Tagen. Jeder, der ein Produkt oder eine Idee bewerben möchte, kennt es nur zu gut. Jeder Politiker steht vor derselben Hürde, jeder mit einem Softdrink oder einem neuen Restaurant, jeder, der ein Album verkaufen oder das Publikum zu einer Sportveranstaltung locken will. Aus genau dem Grund gibt es Werbeagenturen, und jedes Jahr werden Milliarden Dollar in dem Geschäft umgesetzt. Und zusätzlich dazu steht ihr noch vor dem Problem, dass alles ganz schnell gehen und niemand erfahren soll, wer dahinter steckt. Ich will damit nur sagen, dass es wirklich schwierig ist.«
Sie holte tief Luft. »Ihr habt aber auch zwei Vorteile auf eurer Seite: Erst mal seid ihr gut in dem, was ihr macht, ihr habt Ahnung von Computern und Netzwerken und kennt die richtigen Leute. Und zweitens habt ihr ein klasse ›Produkt‹ anzubieten. Ich hab die Dokumente gesehen, weiß also, auf welchem Pulverfass ihr da
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