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Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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außen dabei zusehen. Du konntest wenigstens was machen. Ich war eingesperrt. Ich konnte gar nichts machen. Nicht beim Xnet helfen, nicht demonstrieren gehen, nicht mal jammen. Ich saß einfach nur nackt und allein in meiner Zelle, Stunde um Stunde um Stunde, und die einzige Gesellschaft waren die eigenen Gedanken und inneren Stimmen.«
    Ich hatte mich nie besonders glücklich für das geschätzt, was mir passiert war, nachdem der Heimatschutz San Francisco übernommen hatte. Doch von Darryls Warte aus betrachtet hatte ich wohl wirklich noch Glück gehabt. Ich versuchte mir vorzustellen, wie es mir gegangen wäre, hilflos und allein, statt in Gesellschaft meiner Freunde und der unglaublichen Helferscharen, die mir zujubelten.
    »Tut mir leid, D«, sagte ich.
    »Ist ja nicht deine Schuld. Ich will nicht meinen Frust bei dir ablassen. Ist mein eigenes verdammtes Problem.« Er schluckte schwer. »Das ist auch mit ein Grund, warum ich in letzter Zeit nicht mehr so oft für dich da war. Ich wollte nichts sagen, weil das dumm gekommen wäre. Schließlich weiß ich ja, dass du das alles auch für mich gemacht hast.« Hatte ich das? Ein wenig wohl schon. Aber auch für mich selbst, um das Gefühl der Erniedrigung, die Schmerzen und die Angst loszuwerden. »Aber als Jolu mir vom Darknet erzählt hat und ich die ganzen Dokumente sah, da hatte ich das Gefühl, als ob jetzt ich am Zug wäre. Als ob ich jetzt endlich was gegen all das Hässliche, Verdorbene, Böse in der Welt unternehmen könnte. Van ist aber nicht der Typ dafür. Sie will vor allem Sicherheit für sich und vor allem für mich. Das kapier ich ja auch. Van versteht aber nicht, dass einfach nur ›Sicherheit‹ für mich heißt, niemals wieder ganz zu werden, meine Dämonen nie mehr loszuwerden. Ich muss was in mir selbst reparieren, muss zur Abwechslung mal die Hauptrolle in meinem eigenen Film spielen.«
    »Mensch, D, Mann … « Ich rang nach Worten. Wahrscheinlich hatte ich was in der Art befürchtet, aber ich hätte nie gedacht, dass Darryl mir das so direkt sagen würde. Es war nicht gerade das, was man unter Männern normalerweise ausspricht – nicht mal, wenn man einander so nahesteht wie Brüder, wie wir in früheren Zeiten.
    »Tja«, meinte er. »Ist schon Scheiße, was?«
    »Also, was willst du machen?«
    »Was ich machen will?«
    »Na klar. Sag mir, was du machen willst – nicht, was ich deiner Meinung nach tun sollte oder was am sichersten ist. Was will Darryl Glover machen, hier und jetzt?«
    Er schaute auf seine Hände. Seine Fingernägel waren abgekaut und die Nagelhäute voll kleiner Krusten, wo es geblutet hatte. Das hatte er als Kind schon gemacht, mit vierzehn aber eigentlich aufgehört. Mir war nicht klar gewesen, dass er wieder damit angefangen hatte.
    »Ich will das ganze Zeug veröffentlichen, und zwar sofort.«
    »Okay«, sagte ich. »Das klingt nach einem Plan. Dann lass es uns machen, verdammt.«
    Van war nicht gerade begeistert, kam aber mit. Auch wenn Darryl langsam und vorsichtig fuhr, konnte ich vom Beifahrersitz aus deutlich sehen, wie seine Hände zitterten. In South of Market gerieten wir ins Verkehrschaos, und Darryl konnte mit seinem enzyklopädischen Wissen über sämtliche Seitenstraßen der Umgebung glänzen, bis wir Market Street über eine Gasse erreichten, die so eng war, dass wir fast ein paar Müllcontainer mitgenommen hätten. Ein paar Minuten später hielten wir in Hayes Valley vor Anges Haus. Ich wusste, dass sie heute Nachmittag nichts an der Uni hatte, aber auf ihr Handy hatte sie nicht reagiert. Ich klopfte an.
    Sie öffnete. Sie trug noch immer die Jogginghosen und das T-S hirt von letzter Nacht. Ihre Augen waren rot und verquollen, doch als sie mich sah, verschränkte sie die Arme und setzte ein finsteres Gesicht auf.
    »Zieh dich an«, sagte ich. »Du kannst später noch sauer auf mich sein.« Sie schaute an mir vorbei zu Darryl, der ihr zuwinkte. Auch Van schenkte ihr einen halbherzigen Gruß.
    »Verarsch mich nicht«, sagte sie.
    »Zieh dich an. Wir bringen’s jetzt hinter uns.«
    Skeptisch sah sie mich an. Ich erwiderte den Blick und dachte: Na los, Ange, streiten können wir auch nachher. Mach jetzt besser, bevor ich völlig die Nerven verliere. Mein Herz flatterte mir in der Brust, als wäre es eine in einem Zimmer eingesperrte Taube, die beim Versuch, nach draußen zu entkommen, gegen die Fensterscheibe prallt.
    Ange machte kehrt und verschwand im Haus. Ich hörte sie nach oben rennen. Kurz darauf

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