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Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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sitzt. Es ist ja nicht so, dass ihr die Leute mit Werbung für irgendeine neue Limo zuschwallen wollt. Ihr habt da eine wahre Schatztruhe an hochbrisantem Material, direkt aus dem Giftschrank der Regierung. Es gibt also schon mal ein gewisses Grundinteresse daran; und genau so was erzählen die Leute auch gern weiter. Ich glaube, die beste Strategie wäre, von einem anonymen Account aus einfach jeden zu kontaktieren, der uns einfällt, sofern er über politischen Einfluss, viele Follower oder irgendeine Art von Plattform verfügt. Also die typische ›Schauen Sie mal, was ich hier habe‹-Botschaft. Die meisten werden uns anfangs natürlich ignorieren, weil sie solche Botschaften haufenweise reinkriegen, von Betrügern, Spammern, Werbefuzzis und Bekloppten. Wir müssen uns hier aber ein Beispiel am Löwenzahn nehmen.«
    »Was meinst du jetzt damit?«, fragte Van. Es war klar, dass sie Kylie mochte und in ihr eine potenzielle Verbündete in ihrer Rolle als designierte Erwachsene und Schwarzseherin sah. Mir war Kylie auch sympathisch. Sie konnte so gut reden, wie ich auch gern geredet hätte. Mir fiel es längst nicht so leicht, meine Gedanken in Worte zu fassen.
    »Na ja, wir sind Säugetiere, von daher ist Fortpflanzung für uns immer etwas Teures und Wertvolles. Wenn wir eine Kopie von uns herstellen wollen, ziehen wir uns erst monatelang aus dem Verkehr, dann müssen wir dem Nachwuchs auch noch zu überleben helfen, und das über Jahre. Es ist echt ein Vollzeitjob.«
    Der Gedanke, eine »Kopie« meiner Eltern zu sein, gefiel mir nicht sonderlich, aber ich ahnte, worauf sie hinauswollte.
    »Der Löwenzahn dagegen stellt Tausende von potenziellen Kopien von sich her – all die fluffigen kleinen Dinger, aus denen eine Pusteblume besteht. Wenn dann ein Windstoß kommt, kann sich der Löwenzahn gar nicht darum kümmern, ob seine Kinder alle in die richtige Richtung wandern und auch ihre Handschuhe und Pausenbrote mithaben. Fast jeder der Samen, die der Löwenzahn dem Wind anvertraut, wird sterben, ohne irgendwo Wurzeln geschlagen zu haben, doch das ist ihm egal. Den Löwenzahn kümmert es nicht, ob jeder Same überlebt – nur, dass jede Möglichkeit, Wurzeln zu schlagen, genutzt wird. Erfolgreich ist er, wenn er jeden Riss im Gehweg besiedelt, nicht, wenn er alle seine Samen einpflanzen kann. So viel dazu.«
    Sie dachte kurz nach. »Ein paar Nachrichten zum Darknet zu verschicken sollte uns nicht viel kosten. Wahrscheinlich lohnt es auch, jede ein wenig individuell abzufassen, statt die Leute einfach nur zuzuspammen. Wir sollten sie mit Namen anreden, einen Bezug zu ihrer Arbeit herstellen. Keine Nachricht sollte uns aber mehr als eine Minute kosten – Löwenzahnstil. Es geht nicht darum, dass jeder, den wir anschreiben, die Geschichte auch aufgreift, sondern nur darum, dass jeder, der unser Signal vielleicht etwas verstärken kann, weiß, dass es da draußen eine Geschichte gibt, die nur darauf wartet, Wellen zu schlagen.«
    »Und wenn das nicht klappt?«, fragte ich. Es klang doch alles ein wenig zu einfach, ein wenig zu oberflächlich.
    »Dann probieren wir eben was anderes.«
    »Und wenn man uns vorher mit Gewichten an den Beinen ins Meer wirft?«
    Kylie rümpfte die Nase.
    Da sprang Van ein. »Marcus, mir ist klar, dass du dir Sorgen machst, und das mit Recht. Aber ganz im Ernst, was sollen wir denn sonst tun? Du hast doch auch keine bessere Idee, oder doch? Du und Darryl, ihr habt beschlossen, dass es an der Zeit ist loszulegen, und wir sind alle dafür – also würg es jetzt nicht wieder ab. Das ist unfair.«
    Ich überlegte kurz, vielleicht doch noch einmal Kontakt zu meinen unbekannten Stalkern aufzunehmen, aber erstens wollte ich nicht, und zweitens wusste ich auch nicht, wie. Ein Teil von mir wollte am liebsten alle Bedenken in den Wind schlagen und die Wahrheit mit meinem eigenen Account von den Gipfeln schreien, damit alle meine Follower sie sahen. Wahrscheinlich würde mich das meinen Job kosten; aber wenn es hier darum ging, das Wettrennen gegen Zyz zu gewinnen, bevor man mich vielleicht einsackte, dann war das wichtiger als ein Gehaltsscheck, den ich vielleicht nie würde einlösen können. Der andere Teil von mir hatte einfach nur Angst. Was Kylies Vorschlag attraktiv machte, denn er klang längst nicht so riskant.
    »Gut«, sagte ich. »Aber wenn man uns alle in ein geheimes Lager in Afghanistan verschleppt, dann beschwert euch bitte nicht bei mir.«
    Darryl fuhr Ange und mich zurück zu ihr nach

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