Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Beziehung von Darryl und Van wusste. Ich wollte etwas sagen, doch Darryl kam mir zuvor.
»Nein, wird er nicht. Das kann und das darf er auch nicht. Das mit Zyz und alles andere muss einfach raus.«
»Ach ja? Und weshalb muss das so sein? Wird es irgendein Problem lösen? Meinst du, die Leuten wüssten nicht längst, dass das System gewaltig stinkt? Meinst du, ein paar unbestätigte Gerüchte aus anonymer Quelle im Netz werden einen Aufstand zur Folge haben? Klar, sie streifen ihre Ketten ab und befreien die Welt. Ehrlich, Darryl. Nach allem, was du durchgemacht hast … «
Da stand er abrupt auf. »Ich mache einen Spaziergang«, erklärte er, und noch ehe ich etwas erwidern konnte, war er zur Tür hinaus. Darryl war es noch schlimmer ergangen als mir: Er hatte monatelang in »Guantanamo-in-der-Bay« eingesessen. Sie hatten ihm Einzelhaft verpasst, Psychospielchen mit ihm gespielt und ihm auf die verschiedensten Arten wehgetan. Manches davon hatte sichtbare Spuren hinterlassen, anderes nicht. Einen ganzen Monat hatte er im Krankenhaus unter Beobachtung gestanden, ehe man ihn entließ. Niemand hatte es je direkt ausgesprochen, aber ich wusste, dass sie ihn deshalb so genau im Auge behalten hatten, weil sie befürchtet hatten, er könne versuchen, sich umzubringen.
Vans Augen waren feucht. »Manchmal ist er ein solcher Idiot. Was ist denn falsch daran, sich etwas Sicherheit zu wünschen? Was denkt er sich dabei, dich das Risiko tragen zu lassen, nur weil andere Leute auf ihren Prinzipien rumreiten?«
Mir fiel keine Antwort darauf ein. Natürlich ging es hier nicht nur um die Prinzipien anderer Leute; es waren ebenso auch meine. Zumindest waren sie das mal gewesen, ehe man sie mir gewaltsam ausgetrieben hatte. Wie kam es, dass Darryl, der so viel Schlimmeres durchgemacht hatte als ich, so furchtlos daraus hervorgegangen war? War er der Gebrochene, oder war ich es?
Bei Van flossen jetzt die Tränen. Ich nahm sie etwas ungelenk in den Arm, und sie weinte sich an meiner Schulter aus. Van hatte mich ein einziges Mal geküsst, so richtig auf den Mund, als sie mir in aller Heimlichkeit dabei geholfen hatte, Barbara Stratford vom Bay Guardian eine Nachricht zukommen zu lassen. Damals hatte sie mir auch gestanden, dass sie was für mich empfand. Seitdem hatten wir nie mehr darüber geredet; doch im Moment war es das Einzige, woran ich denken konnte. In Anbetracht meines Streits mit Ange, der Ereignisse der letzten Tage und der ganzen Aufregung hatte ich Angst, dass ich gleich etwas wirklich, wirklich Dummes tun würde – zum Beispiel, sie jetzt wieder zu küssen.
Darum ließ ich sie los und stand auf. Meine Schulter war feucht von ihren Tränen. Sie schaute zu mir hoch, das Gesicht noch ganz nass. Mir war, als müsste ich selber gleich losheulen. »Ich geh mal Darryl suchen«, sagte ich. »Er sollte jetzt nicht allein sein.«
Erst als ich schon zur Tür hinaus war, fragte ich mich, wie sich Van so allein fühlen würde.
Ich fand Darryl genau da, wo ich vermutet hatte: Einen Katzensprung von seinem Haus entfernt gab es weiter oben eine Stelle, von der aus man einen eindrucksvollen Blick über ein Tal hatte, das ausgebreitet zwischen mehreren Hügeln lag. Über den Hügeln erhob sich der Sutro Tower, jener bizarre, fast menschlich wirkende Funkmast, der an ein riesiges Alien mit erhobenen Händen erinnerte. Früher hatten wir uns immer hierhergeschlichen, wenn wir Blödsinn im Kopf hatten – einen heimlichen Joint, eine illegale Flasche Irgendwas oder auch sagenhafte Feuerwerksexperimente, bei denen wir erstaunlicherweise weder Augen noch Hände einbüßten. Und angesichts der zahllosen Flaschen, Kippenstummel und Brandspuren, die wir dort oben schon gefunden hatten, nutzen auch andere den Ort zu so was.
Darryl saß auf einer von Graffiti überzogenen Bank und schaute aufs Tal und die Autos da unten hinab, ohne wirklich etwas wahrzunehmen. Ich nahm neben ihm Platz.
»Ich hab keine Ahnung, wie du das packst«, sagte ich. »Wirklich nicht. Ich wünschte, ich wäre so mutig wie du.«
Er gab ein freudloses Lachen von sich. »Mutig, ich? Marcus, ich bin nicht mutig. Ich bin angepisst. Und zwar die ganze Zeit über, weißt du? Hundertmal am Tag könnt ich jemandem den Schädel einschlagen. Am liebsten ihr. « Ich brauchte nicht zu fragen, wen er meinte: Carrie Johnstone, die Frau meiner Albträume. Sicher träumte auch Darryl von ihr. »Ich werde wütend , und es geht so furchtbar schnell … Als würde ich mir selbst von
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