Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Gunsten zu ändern und somit die eigenen Papiere abzusichern, anschließend mit dem Geld noch mehr Einfluss aufbauen. Wahrscheinlich geben sie keinen müden Cent aus, wenn auch der liebe Staat die Rechnung zahlen kann.«
Sie hielt kurz inne. »Nein, meinem Eindruck nach ging es gestern Abend vor allem um eines: dass du keine Beweise für ihre illegalen Aktivitäten mehr in der Hinterhand hast, wenn sie dir später das Gesetz auf den Hals hetzen. Deshalb halte ich es auch für richtig, jetzt aktiv zu werden – denn vermutlich wird als Nächstes irgendwer bei einer wichtigen Behörde einen wichtigen Anruf bekommen. Vielleicht geht es dabei um dich, vielleicht auch um all deine Freunde, denn wer die sind, wissen sie ja noch vom letzten Mal. Und wenn das passiert, wird es deutlich schwieriger für dich, noch die Wahrheit ans Licht zu bringen … «
Ich hob abwehrend die Hände. »Schon kapiert.« Ich schaute meine Freunde an – meine ältesten und besten Freunde. Ange sah etwas blass aus. Sie hatte die Fäuste so geballt, dass die Knöchel hervortraten. Die Nummer der Anwältin stand in Vans vertrauter Schrift auf ihrem Arm.
Darryl sah ebenfalls verängstigt aus. Jolu dagegen wirkte mal wieder so cool wie ein Filmheld. Dennoch konnte ich die verräterischen Zeichen in seinem Gesicht erkennen: die Ader, die auf seiner Stirn hervortrat, der Puls an seinemHals. Van schien mittlerweile einfach nur noch zu allem entschlossen. »Dann handeln wir wohl lieber sofort, oder?«
Jolu nickte. »In Ordnung, wir sind bereit. Ich habe schon ein Skript geschrieben, das unsere Chats, Logs und Notizen im Darknet löscht.«
»Ach ja? Wann hast du denn das gemacht?«, wollte Van wissen.
Jolu lächelte sein Filmstarlächeln. »Gleich am ersten Abend. Ich dachte mir schon, dass vielleicht plötzlich alles ganz schnell gehen muss. Besser, sich darauf vorzubereiten. ›Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen‹ , ihr wisst schon.«
»Nicht schlecht als Motto«, meinte Ange. »Jedenfalls um Längen besser als ›Hast du Schiss und bist allein, lauf im Kreis mit lauten Schrei’n‹.« Der Stich saß.
Jolu zuckte die Achseln. »Ich will mich nicht in dein persönliches Ding mit Marcus einmischen, Ange … Aber es gibt sicher auch eine rechte Zeit, im Kreis zu laufen. Wir haben alle unsere besonderen Stärken.«
Darryl lachte nervös. »Wär ja nicht Marcus, wenn er das nicht täte.«
»Leute!«, fuhr ich dazwischen. »Ich bin hier. Ich kann euch hören.«
»Halt die Klappe, Schätzchen«, sagte Ange, doch sie griff dabei nach meiner Hand. Ich erwiderte ihren Druck, und da riss sie mich auf einmal mit aller Kraft an sich, packte meinen Kopf und gab mir einen wilden Kuss. »Du bist ein solcher Schwachkopf«, meinte sie, als wir fertig waren. »Aber du bist der Schwachkopf, der zu mir gehört. Renn mir nach einem Streit nie wieder davon, oder ich setze mich in Zukunft solange auf dich drauf, bis ich sicher sein kann, dass du nicht feige flüchtest.«
»Ohhh«, seufzte Jolu. »Junge Liebe muss ja wirklich schön sein.«
»Ist sie auch«, sagte Van. Da stand Darryl auf, ging zu ihr hinüber und schloss sie so fest in seine langen Arme, dass ich meinte, ihre Rippen knacken zu hören.
»Kinder, Liebe ist ja wirklich wunderbar und furchtbar wichtig, aber wir haben hier was zu erledigen«, mischte sich Kylie ein. »Mister Torrez, wenn ich recht verstanden habe, wollten Sie gerade ein Programm ausführen?«
»Schon erledigt«, erwiderte Jolu, der gerade auf sein Keyboard eingehämmert hatte.
Darryl streckte die Hand hoch. »Ich hatte überlegt, ob wir nicht als Erstes diese Spinner kontaktieren sollten, die Marcus überwacht haben. Die scheinen’s ja ganz gut draufzuhaben, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.«
Ich biss mir auf die Zunge. Wenn ich nach meiner Begegnung mit den Geistern in meiner Maschine nicht noch von zwei echt finsteren Söldnern entführt worden wäre, ich glaube, mir wäre bei diesem Vorschlag vor Wut der Kopf geplatzt. Aber meine Maßstäbe hatten sich in den letzten ein, zwei Tagen drastisch verschoben: Wären die Schnüffler, die sich Root-Zugriff auf meinen Laptop verschafft hatten, letzte Woche vielleicht noch Gruselfaktor 9 von 10 gewesen, dann bekamen sie mittlerweile höchstens noch eine 6, Tendenz fallend.
Ange ergriff aber Partei für mich. »Das fände ich Marcus gegenüber nicht fair, Darryl. Schließlich haben sie ihn ausspioniert. Sie haben ihm komplett seine Privatsphäre genommen.
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