Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
Vom Netzwerk:
Hause. Wir machten es uns gemütlich, ganz so wie immer, dann saßen wir mit unseren Laptops im Schoß auf dem Bett und suchten im Akkord nach möglichen Kandidaten für unsere Nachricht. Wir stimmten die Nachricht auf jeden Empfänger individuell ab, dann schossen wir sie über einen der anonymen Accounts, die wir in Jolus Büro erstellt hatten. Wir benutzten sowohl IP redator als auch Tor, wodurch alles etwas langsamer ging. Dafür nahmen wir immer gleich mehrere Leute auf einmal ins Visier, jeden in einem eigenen Tab, und blätterten uns dann vom einen zum nächsten. Jolu hatte erst vorgeschlagen, noch eine Darknet-Seite einzurichten, um darüber Buch zu führen, wen wir schon alles zugespammt hatten und mit welchem Erfolg, doch Kylie hatte nur gesagt: »Du denkst nicht wie ein Löwenzahn«, und da hatte er darauf verzichtet.
    Ange und ich hatten unseren Streit inzwischen beinahe vergessen und verloren uns in der Arbeit. Bald rissen wir wieder Witze und zogen uns auf, wie wir es immer taten. Irgendwann verzettelte ich mich völlig in der Biografie von Steve Wozniak, dem legendären Apple-Entwickler, der auf Twitter Millionen von Followern hatte. Ich war in einer richtigen Klickstarre und hangelte mich auf Wikipedia von Link zu Link, vertiefte mich in seine Karriere und all das Tolle, das er schon gemacht hatte.
    Schließlich warf mir Ange einen Bleistift an den Kopf. »Hey, Mister, ich hör dich gar nicht mehr tippen. Denkst du grad wie ein Löwenzahn oder eher wie ein Säugetier?« Ich schnaubte und zeigte ihr den Mittelfinger, hörte aber mit Surfen auf und verschickte meine Nachricht.
    Später gingen wir noch in die Küche und machten uns ein paar Erdnussbutter-Marmelade-Sandwiches, und klar, selbst darauf packte Ange noch scharfe Soße, was tatsächlich gar nicht mal schlecht schmeckte, sondern ein bisschen wie indonesisches Curry. Danach warf sie mich raus. »Du musst morgen Arbeit im Wahlkampfbüro nachholen, selbst wenn Sonntag ist«, sagte sie. »Zwei Tage in Folge schwänzen kannst du nicht bringen.«
    Ich ließ es mit mir geschehen und verbrachte die ganze Busfahrt nach Hause damit, auf dem Handy nach Links zu unserer Darknet-Seite zu suchen. Es gab tatsächlich ein paar Dutzend, aber natürlich war es nicht gerade leicht, ins Darknet zu kommen – erst mal musste man Tor auf seinem Rechner installieren, dann musste man noch rausfinden, wie das alles funktionierte. Selbst ich musste immer wieder in der Hilfe nachschauen, wenn ich mir ein neues System aufsetzte. Ich schwor mir, dass ich, falls ich aus der Sache noch mal lebend rauskam, den Hackern im Noisebridge dabei helfen würde, Tor endlich benutzerfreundlicher zu machen.
    Ich war völlig erledigt. Ich hatte ja schon die Nacht zuvor kaum geschlafen, und die letzten zweiundsiebzig Stunden hatte mich das Adrenalin wachgeprügelt – ganz davon abgesehen, dass meine dumme Nase noch immer gebrochen war und ich immer noch die Woche in der Wüste und die Blessuren vom Burning Man spürte. Nur gut, dass Mom und Dad mit ihren eigenen Problemen beschäftigt waren. Hätten sie mir genauso viel Aufmerksamkeit geschenkt wie früher, als ich sechzehn war, wären sie bestimmt schon total ausgerastet.
    Und das gab mir wiederum ein mieses Gefühl, während ich mir meinen Wecker stellte, den ich aus leuchtenden Nixie-Röhren gebaut hatte. Alles tat mir weh, ich kam mir so dumm vor, und dann wollten mir die dummen Stimmen in meinem Kopf auch noch weismachen, ich sei meinen Eltern so egal, dass sie nicht mal mehr einen Nervenzusammenbruch bekamen, wenn ich eine Nacht nicht nach Hause kam – und das war nun wirklich so dumm wie nur irgendwas.
    Zum Glück war ich so tödlich erschöpft, dass selbst diese Stimmen nicht mehr gegen die biologische Notwendigkeit des Schlafs ankamen. Ehe ich mich’s versah, riss mich der Wecker auch schon wieder aus meinen dunklen Träumen, und ich stolperte ins Bad, um mich frischzumachen.
    Als ich das Haus verließ, ging ich eigentlich schon davon aus, dass alles gelaufen war. Schließlich hatte Barbara Stratford bei der letzten Geschichte, die ich angeleiert hatte, einfach mein Gesicht auf der Titelseite des Bay Guardian gebracht, und von da an war alles mehr oder weniger von selbst ins Rollen geraten. Je näher ich dem Büro kam, desto sicherer war ich mir, dass ich bei meiner Ankunft als Erstes hören würde: »Mann, hast du diese Sache mit dem Darknet schon mitbekommen? Unglaublich! Alle reden darüber!«
    Doch keiner der Freiwilligen,

Weitere Kostenlose Bücher