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Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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die Sonntagsabeit leisteten, schaute auch nur auf, als ich reinkam. Niemand schien davon zu wissen, dass die Welt auf den Kopf gestellt worden war. Also setzte ich mich an meinen Tisch und versuchte, mich auf mein Gespräch mit Joe zu konzentrieren, der mir per E-M ail gute Besserung gewünscht hatte und es kaum erwarten konnte, meine Ideen zu hören, sollte ich es am Sonntag ins Büro schaffen.
    Ich überlegte, ob ich nicht eine PowerPoint-Präsentation oder etwas in der Art vorbereiten sollte, doch jedes Mal, wenn ich Impress startete, die kostenlose Alternative zu LibreOffice, kam ich mir wie ein totaler Honk vor. Ich hasse PowerPoint. Außerdem konnte ich an nichts anderes als das Darknet denken.
    Ich nahm mir vor, bloß eine Minute oder zwei danach zu googeln und zu schauen, was ich so fand. Aber sicher doch.
    Eine Stunde später war ich richtig wütend. Zwar gab es ein paar größere Seiten, die unseren Link übernommen hatten; ein paar Risse im Asphalt, aus denen der Löwenzahn spross. Doch auf jeder einzelnen davon sammelten sich sarkastische, ätzende Kommentare. Manche beharrten darauf, dass alles nur ein Fake sei. Andere sagten, da sei einfach gar nichts. Unzählige Kommentare behaupteten, es sei so gut wie unmöglich, an die Docs im Darknet ranzukommen, die Mühe lohne sich nicht. Alle Kommentare kamen von unterschiedlichen Adressen und Leuten, aber irgendwie fiel es mir schwer zu glauben, dass wirklich jeder, der die Dokumente gesehen hatte, der Meinung war, sie könnten nichts taugen.
    Schlimmer noch: Wenn ich auf diesem Weg das erste Mal darauf gestoßen wäre, hätte ich wahrscheinlich selbst geglaubt, dass etwas, das derart vernichtende Kritik auf sich zog – »alles Blödsinn«, »lohnt sich nicht« – , wahrscheinlich wirklich bloß Müll war. Genau wie Kylie geraten hatte, bemühte ich mich herauszufinden, was meine Aufmerksamkeit nicht verdient hatte, damit mehr Zeit für die wichtigen Dinge übrig blieb. Und eine der wirksamsten Strategien hierfür war, auf das zu achten, was die Leute meinten, wenn sie sich die Dokumente tatsächlich angesehen hatten.
    Ich zwang mich dazu, weiter mit PowerPoint herumzuspielen, und war geradezu dankbar, als Liam schließlich vorbeikam, um mir ein wenig auf die Nerven zu gehen. Es war die reinste Erlösung.
    »Na, was meinst du? Ist der Darknet-Kram ein Fake?«
    Es überraschte mich nicht, dass er davon wusste. Es wäre eher eine Überraschung gewesen, wenn nicht – so was war doch genau sein Ding.
    »Hast du’s dir denn mal angesehen?«, fragte ich.
    Er schaute ein wenig beschämt drein. »Zu viel Stress«, sagte er. »Ich hatte Tor zwar mal installiert, aber dann hab ich das Betriebssystem erneuert und es irgendwie nicht mehr auf die Reihe gekriegt … Und außerdem sagen ja alle, dass es ein Fake ist.« Er zuckte die Achseln.
    »Ein bisschen arm, es als Fake abzutun, ohne es mit eigenen Augen gesehen zu haben, findest du nicht? Ich meine, warum glaubst du irgendwelchen Idioten im Netz, statt dir selbst ein Urteil zu bilden? Hast du denn kein Gehirn? Kannst du nicht eigenständig denken?«
    Mir war völlig klar, wie unfair das war, schon deshalb, weil Liam so unverhohlen zu mir aufsah. Er zog den Kopf ein, als ob ich auf ihn eindrösche, und schien sich zu wünschen, der Boden täte sich auf und würde ihn verschlucken. Der Teil von mir, der sich nicht wie ein totaler Arsch vorkam, freute sich fast darüber, denn er verdiente es, gedemütigt zu werden, weil er sich die Leaks nicht mal angeschaut hatte. Ich dachte an die Gefahren, die wir auf uns genommen hatten,um diese Dokumente ins Netz zu stellen. Wenn sich nun nicht mal Liam die Mühe machte, sie zu lesen, wer dann?
    »Du hast die Dateien also angesehen?«, fragte er kleinlaut. »Und du hältst sie für echt?«
    Irgendwie bin ich nicht nur ein Arsch, sondern auch ein Idiot. Ich hatte nicht vorgehabt, jemals zuzugeben, dass ich die Dokumente gesehen hatte; zumindest nicht, solange sie nicht auf allen Titelblättern und in den Nachrichten waren. Ich wollte nicht als jemand auffallen, der ein verdächtiges Interesse daran hatte. Jetzt aber konnte ich einfach nicht nee, hab sie mir auch nicht angeschaut sagen, denn dann hätte ich noch viel blöder da gestanden als ohnehin schon.
    »Ja«, erwiderte ich deshalb und hasste mich für meine eigene Dummheit. »Ich hab sie gelesen. Sind echt unglaublich. Könnten hochgehen wie eine Bombe. Du solltest sie dir wirklich mal ansehen.«
    »Okay«, sagte er. »Wird

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