Little Miss Undercover - Ein Familienroman
bewusst.«
»Warum sind Sie hier?«
»Um zu beweisen, dass Sie Ihre Hände mit im Spiel haben.«
»Welches Spiel?«
»Das wissen Sie genau.«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung.«
»Raes vermeintliches Verschwinden.«
Man konnte förmlich zusehen, wie Stones Empörung in sich zusammenfiel. »Sie glauben, ich habe damit zu tun?«
»Sie und meine Eltern.«
»Haben Sie was getrunken?«
»Nein. Aber vielleicht sollte ich.«
»Was ist los, Isabel?«
»Das wollte ich Sie fragen.«
»Im Ernst?«
»Ich hab Sie mit meinem Vater auf dem Foto gesehen.«
»Was für ein Foto?«
»Keine Ahnung. Rae hat es aufgenommen. Ist vielleicht einen Monat her. Oder zwei.«
Stone wirkte keineswegs beunruhigt. »Ich weiß zwar nicht, was es mit dem Foto auf sich hat, aber ich habe Ihren Vater tatsächlich vor ein paar Monaten getroffen, weil ich in einem anderen Fall seinen Rat wollte. Das eine hat mit dem anderennichts zu tun. Wir können gern ins Präsidium gehen, dann zeige ich Ihnen die Akte, doch jetzt hören Sie mir erst mal zu. Weder ich noch Ihre Eltern haben Ihre Schwester verschwinden lassen.«
Trotz des immer noch spürbaren Schlafmangels wusste ich, wie sehr ich mich getäuscht hatte. Allmählich wurde mir klar, dass ich heute nicht mehr Anhaltspunkte hatte als gestern und vorgestern. Meine Schwester blieb verschwunden. Dafür gab es keine logische Erklärung.
Ich starrte eine gefühlte Ewigkeit auf den Boden. Stone glaubte wohl, ich sei eingeschlafen. Er klopfte mir leicht aufs Knie, um mich zu wecken.
»Isabel, Sie haben doch nicht wirklich geglaubt, dass wir imstande wären, so etwas zu tun?« Stone sprach sanft, fast freundschaftlich.
»Es wäre immer noch beruhigender als alles andere, meinen Sie nicht? Alles wäre besser, als zu glauben, dass sie tot ist.«
»Das ist wahr«, sagte er. Und gerade weil er sich so zurückhielt und mir nicht weismachen wollte, es würde bestimmt alles gut, gerade weil er mich in dieser Situation ernst nahm, erkannte ich, dass er nicht der Gegner war. Es wäre auch zu einfach gewesen.
»Nehmen Sie mich nun fest?«, fragte ich.
»Wohl kaum.«
»Danke«, sagte ich. »Tut mir leid, dass ich ... na ja, dass ich bei Ihnen eingebrochen bin.«
»Entschuldigung angenommen. Aber nur, wenn Sie mir versprechen, solche Aktionen in Zukunft zu unterlassen.«
»Ich verspreche, nie wieder bei Ihnen einzubrechen.«
»Sie sollen nirgendwo mehr einbrechen.«
»Das kann ich Ihnen zurzeit nicht versprechen.«
Stone und ich saßen eine Weile stumm da. Sicher dachte er, dass ich gleich das Weite suchen würde, doch ich wusste nicht wohin. Also konnte ich genauso gut dableiben.
»Möchten Sie etwas trinken?«, fragte Stone.
»Haben Sie Whiskey?«
Stone ging leise raus. Ein paar Minuten später kehrte er zurück und drückte mir einen Becher in die Hand. Ich nahm einen Schluck und musste speien. »Der schmeckt ja schauderhaft.«
»Das ist Kräutertee.«
»Darum.«
»Sie sollten sich besser hinlegen, Isabel.«
Ich weiß bis heute nicht, wie er auf diese Idee kam. Jedenfalls wurde ich wie ein Kind ins andere Zimmer geführt, Stone schlug mir eine Decke auf und schloss die Tür hinter sich, als er den Raum verließ. Ich zog Schuhe, Strümpfe und Jacke aus, legte auch meine Uhr ab und schlüpfte unter die Decke. Warum sollte ich nicht wenigstens so tun, als schliefe ich, was Besseres hatte ich ohnehin nicht vor. Allerdings war ich so erschöpft, dass mich bald echter Schlaf überfiel.
Kurz nach Mitternacht schreckte ich hoch, weil das Telefon klingelte. Auf Zehenspitzen schritt ich zur Tür, öffnete, schlich leise durch den Flur und folgte Stones Stimme, die aus der Küche erklang.
»... Natürlich verstehe ich, Mrs. Spellman. Glauben Sie mir, es geht ihr gut, sie ist hier. Ja, ich passe auf sie auf ... nein. Danach frage ich sie nicht. Das muss nicht sein. Ich versichere Ihnen, dass sie mit Raes Verschwinden nicht das Geringste zu tun hat ...«
Ich flitzte ins Schlafzimmer zurück, schlüpfte in die Schuhe, krallte mir Jacke und Uhr und rannte aus der Wohnung. Ich hörte, wie Stone mir hinterherrief, ohne ihn zu verstehen. Was er sagte, spielte ohnehin keine Rolle. Allein, dass meine Mutter mich einer solch unbeschreiblichen Grausamkeit für fähig hielt, verletzte mich mehr als alles andere, was ich bisher erlebt hatte. Es spielte in diesem Moment gar keine Rolle, ob ich umgekehrt den gleichen Verdacht gehegt hatte.
Es gelang mir, ins Auto zu steigen und loszufahren, bevor Stone
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