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Live!

Live!

Titel: Live! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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deutet auf eine Treppe, die vom geräumigen Wohnzimmer in die obere Etage führt. Auf dem Weg nach oben stolpere ich über Petroulakis, den Berater des Premierministers. Mitten auf der Treppe stehen wir uns von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Er blickt mich mit einer Miene an, als erwarte er meinen ehrerbietigen Diener. Doch ich bin der Überzeugung, daß er nach Vakirtsis’ Freitod in Ungnade fallen wird, und beschließe, sein knappes Nicken geflissentlich zu übersehen. Ich weiche seinem Blick aus und steige weiter die Treppe hoch.
    Im oberen Stockwerk stehe ich zunächst vor drei verschlossenen Türen. Die erste führt in einen kühlen, unpersönlichen Raum mit einem Doppelbett, einem Polstersessel und einem Bücherregal. Offenbar handelt es sich um das Gästezimmer. Die nächste Tür führt in einen Gymnastikraum mit Hanteln, Heimtrainer und Laufband. Dann versuche ich mein Glück bei der dritten Tür und erblicke Fanis, der einer jungen Frau den Puls fühlt. Sie hört das Klicken der Türklinke und dreht sich um. Sie ist dunkelhaarig, ihre Lippen und Fingernägel sind in Aubergine gehalten. Sie trägt eine beige Hose und eine rote Bluse mit Spaghettiträgern, die ihre Schultern sowie ihren Bauchnabel frei läßt. Soviel ich weiß, war Vakirtsis um die Fünfundfünfzig, ergo war er ihr locker um fünfundzwanzig Jahre voraus, denn sie sieht nicht älter als dreißig aus.
    Fanis kommt auf mich zu und beugt sich an mein Ohr. »Sie ist ansprechbar, aber setze sie nicht zu sehr unter Druck.« Dann läßt er uns allein.
    Ich nehme an der Bettkante Platz. Der Blick der jungen Frau saugt sich wie hypnotisiert an mir fest. »Ich bin Kommissar Charitos«, sage ich. »Ich werde Sie nicht lange behelligen. Nur ein paar Fragen hätte ich gerne gestellt.«
    Sie entgegnet nichts, hält ihren hypnotisierten Blick jedoch weiter auf mich geheftet. Ich nehme an, sie versteht, was ich sage, und fahre fort.
    »Ist Ihnen in der letzten Zeit irgend etwas an Vakirtsis aufgefallen?«
    »Zum Beispiel?«
    »Was weiß ich … Vielleicht war er nervös … Ist schnell wütend geworden … Hat herumgeschrien …«
    »So war er nicht nur in der letzten Zeit … Immer schon war er heftig und ist schnell laut geworden … Aber schon nach wenigen Minuten hatte er alles vergessen und schmeichelte sich wieder ein.«
    »Hatte er vielleicht persönlichen Kummer … Hat ihn irgend etwas geängstigt …«
    Ein schmales Lächeln erscheint auf ihren Lippen. »Apostolos hatte nie persönlichen Kummer. Wenn schon, hatten die anderen persönlichen Kummer seinetwegen.«
    Ich weiß nicht, ob sie diejenigen meint, die er in seinen Sendungen niedermachte, oder sich selbst.
    »Im allgemeinen machte er also nicht den Eindruck, als stehe er knapp vor dem Selbstmord.«
    »Apostolos?« Ihr Auflachen klingt bitter. »Was wollen Sie von mir hören?«
    Daraus schließe ich, daß sie nicht besonders gut miteinander auskamen, aber das interessiert mich eigentlich gar nicht. »Haben Sie generell irgendeine Veränderung an seinem Verhalten in der letzten Zeit bemerkt?«
    »Nein, keine.« Sie hält kurz inne, als denke sie nach. »Außer …«
    »Was?«
    »In den letzten Wochen hat er Stunden vor seinem Computer im Büro verbracht.«
    Ganz wie Favieros! Dasselbe Muster. Wie bescheuert von mir, daß ich im Fall Stefanakos nicht gleich nachfragte, ob auch er sich so verhalten hatte. Das kommt davon, wenn man während seines Genesungsurlaubs inoffizielle Ermittlungen betreibt und es nicht riskieren kann, jederzeit und überall unangemeldet aufzutauchen.
    »Hat er denn normalerweise nicht viel Zeit in seinem Büro verbracht?«
    »So gut wie gar keine. Apostolos hatte alles: ein Büro, so groß wie das ganze Obergeschoß, Computer, Drucker, Scanner, Internetzugang. Aber nicht, um es zu benützen, sondern weil es die anderen hatten, die Freunde und Kollegen. Der Gedanke war ihm unerträglich, daß sie etwas haben sollten und er nicht. Er war aus Prinzip neidisch. Mit Ausnahme der letzten Wochen, da hat er sich tatsächlich in seinem Büro vor dem Computer verbarrikadiert.«
    »Haben Sie ihn nicht gefragt, was er da macht?«
    »Auf solche Fragen hat er immer geantwortet, daß er am Arbeiten sei, egal, ob er den Garten sprengte oder ein Fußballmatch im Fernsehen guckte und den Schiedsrichter beschimpfte.«
    Ich merke, daß ich von ihr nichts weiter erfahren kann. Daher gehe ich in den zweiten Stock hoch, einen einzigen offenen Raum mit einem Schreibtisch, einem Fernseher mit

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