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Live!

Live!

Titel: Live! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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sogar eine ganze Sendereihe gestaltet. Wozu sollten die Rechtsextremen jemanden umbringen, der öffentlich für die Ausweisung illegaler Einwanderer eingetreten ist? Schicken Sie lieber ein Stoßgebet zum Himmel, daß keiner seiner Kollegen diese Sendereihe wieder ausgräbt, denn dann wären wir die Lachnummer der Nation.« Dem Minister hingegen ist das Lachen vergangen, und er meint kühl zum Ministerialdirektor: »Vielen Dank, Stathis. Ich brauche Sie nicht weiter.«
    Das hört sich fast nach einer Entlassung an. Der Ministerialdirektor geht wortlos und ohne Gruß aus dem Büro. Sobald die Tür hinter ihm ins Schloß fällt, fixiert uns der Minister.
    »Darf ich endlich erfahren, was los ist?« fragt er, zu Gikas gewendet.
    »Das wird Ihnen Kommissar Charitos erläutern, der auf meine Bitte hin seinen Genesungsurlaub für die Ermittlungen geopfert hat«, entgegnet er.
    Der Minister nimmt mich ins Visier. In solchen Fällen besteht die Kunst darin, die Sache einerseits nicht zu beschönigen, andererseits aber auch keine Panik zu verbreiten. »Ehrlich gesagt, Herr Minister, weiß ich noch nicht, was genau los ist und warum Favieros, Stefanakos und Vakirtsis Selbstmord begangen haben. Ich bin mir aber sicher, daß jemand sie zum Selbstmord gezwungen hat.«
    Ich hebe mit der Geschichte von den Biographien an, fahre mit Logaras’ falscher Adresse und den verschiedenen Verlegern fort, bis ich zu Vakirtsis’ Lebensgeschichte komme, die durch einen Zustelldienst zu mir nach Hause gelangte. Er hört mir aufmerksam zu, wobei sich seine Miene von Minute zu Minute mehr umwölkt.
    »Was hat Ihre Neugier eigentlich angestachelt?« fragt er schließlich.
    »Zwei Dinge. Die Tatsache, daß die Selbstmorde öffentlich begangen wurden. Persönlichkeiten wie Favieros, Stefanakos und Vakirtsis würden einen Freitod niemals an die große Glocke hängen.«
    »Und zweitens?«
    »Daß die Biographien, die im großen und ganzen eine Lobeshymne auf die Verstorbenen darstellen, Andeutungen über dunkle Machenschaften enthalten.«
    Er blickt mich ernst an und sagt ganz ruhig: »Mit anderen Worten: Wir kommen um einen Skandal nicht herum.«
    »Mhm. Dieser Logaras weiß, wovon er schreibt. Zumindest im Fall von Favieros und Stefanakos. Vakirtsis’ Biographie habe ich noch nicht lesen können.«
    »Wer hat sonst noch von all dem gewußt?«
    Auf diese Frage habe ich schon gewartet. Ich blicke zu Gikas hinüber. Der weicht meinem Blick aus und spricht direkt in Richtung des Ministers.
    »Herr Petroulakis, der Berater des Premierministers, hat mich persönlich um bestimmte Informationen gebeten. Herr Charitos hat ihn aufgesucht und ihm das bis dahin Bekannte vorgetragen.«
    Daß wir beide ein Interesse daran hatten, Petroulakis mit einzubeziehen, behält er wohlweislich für sich. Gikas, weil er an seiner Beförderung bastelte, und ich, weil ich um meinen Posten bangte.
    »Und wieso haben Sie nicht mit mir gesprochen?«
    »Weil wir keine handfesten Hinweise hatten«, entgegnet Gikas wie aus der Pistole geschossen. Offensichtlich ist er auf diese Frage vorbereitet. »Zunächst einmal handelte es sich nicht um Mord, sondern um Selbstmord, folglich konnten wir keine offizielle Untersuchung einleiten. Und was aus Herrn Charitos’ Nachforschungen hervorging, hat sicherlich Fragen aufgeworfen, aber keinerlei Erkenntnisse gebracht. Im Grunde verfügen wir erst nach Vakirtsis’ Freitod und der Übersendung der Biographie durch Logaras an Herrn Charitos über stichhaltige Hinweise, daß es sich um Anstiftung zum Selbstmord handelt.«
    »Und weil Sie keine handfesten Beweise hatten, haben Sie sich lieber an jemand Inkompetenten gewandt, der die Affäre dann auf die allernaivste Weise vertuschen wollte.«
    Sein Tadel trifft ins Schwarze, daher halten wir lieber den Mund. Das faßt er als stillschweigende Anerkennung unserer Verantwortung auf und versüßt uns daraufhin ein wenig die bittere Pille.
    »Ich möchte damit nicht sagen, daß Sie dafür verantwortlich sind, wie dieser Fall gehandhabt wurde. Ich weiß, daß das hinter Ihrem Rücken passiert ist«, meint er zu Gikas. »Die Sache ist die: Wir haben nun eine äußerst unangenehme Geschichte am Hals, während wir sonst das machen könnten, was jeder Politiker in Griechenland tut – nämlich stillhalten. Aber jetzt stecken wir im Schlamassel.« Wiederum wirft er Gikas einen Blick zu. »Haben Sie eine rettende Idee?«
    »Ja. Am besten setzen wir die drei Rechtsextremen noch nicht auf freien Fuß,

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