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Live!

Live!

Titel: Live! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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Drossia nach Stamata gebraucht?«
    »Da hast du auch wieder recht.«
    Vranas ist um zehn Uhr abends von Girlanden und Lampions erleuchtet. Die Tavernen sind knackevoll, und die Luft ist nicht von Kiefernduft, sondern vom Geruch nach gegrilltem Fleisch und rauchendem Öl geschwängert. Wir halten am ersten Kiosk an und fragen nach dem Weg zu Vakirtsis’ Haus.
    »Ihr auch? Was ist heute bloß los, daß alle zu Vakirtsis wollen?« fragt uns der Kioskbesitzer verwundert und zeigt uns, wo wir abbiegen müssen.
    »Wir sind zu spät gekommen«, meint Fanis frustriert, als wir erneut anfahren.
    »Immer mit der Ruhe. Er feiert doch heute abend Namenstag. Vielleicht waren es die Gäste, die nach dem Weg gefragt haben.«
    »Auch wieder wahr. Hatte ich ganz vergessen, daß er Namenstag hat.«
    Zum Glück müssen wir nicht lange suchen. Es handelt sich um ein riesiges Anwesen, das zu einem dreistöckigen schneeweißen Gebäude hin ansteigt. Grundstück und Haus sind taghell erleuchtet. Das riesige schmiedeeiserne Tor steht sperrangelweit offen, innerhalb und außerhalb des Anwesens sind sämtliche Modelle der internationalen Autoindustrie aufgereiht: vom Jeep über Toyota bis zu BMW und Mercedes Cabrio. Da Fanis keinen Parkplatz findet, stellt er den Wagen in einiger Entfernung ab.
    Erst als wir uns zu Fuß dem Landgut nähern, bemerken wir den Aufruhr. Als wir auf der Suche nach einem Parkplatz daran vorübergefahren waren, hatten uns zunächst die Wagen und die Lichter geblendet. Nun erkennen wir, daß die Einfahrt verlassen und unbewacht vor uns liegt. Ich lasse meine Blicke umherschweifen, und ganz oben, in der Nähe der Villa, kann ich eine Menschentraube erkennen, die aussieht, als wolle sie sich zu einer Parade formieren. Nur, daß wir keine Hochrufe und Beifallsbekundungen hören, sondern Hilferufe und Schreie der Verzweiflung. Auf der Veranda, die um das ganze Erdgeschoß läuft, herrscht Panik. Die einen gestikulieren wild, die anderen rennen ins Haus hinein oder auf die Veranda heraus, wieder andere laufen die Treppen auf und ab, die von der Veranda zum Garten führen.
    Fanis und ich bleiben stehen und blicken uns an. »Du hast recht«, sage ich. »Wir sind zu spät gekommen.«
    Wie von fremden Kräften angetrieben rennen wir die Anhöhe hinauf, bis zu dem Punkt, wo sich die Leute drängeln. Auf halbem Wege keucht Fanis: »Darf ich da überhaupt mit rein?«
    »Komm schon. Keiner fragt jetzt, wer du bist.«
    In dem Moment erschallt direkt hinter uns das Martinshorn eines Krankenwagens, und Scheinwerfer erleuchten die Einfahrt. Im Gefolge des Krankenwagens trifft auch ein Streifenwagen der Polizei ein. Ich bedeute dem Fahrer des Krankenwagens anzuhalten.
    »Weswegen sind Sie hier?« frage ich.
    Er blickt mich befremdet an. »Wir wurden verständigt, wir sollten jemanden ins Krankenhaus fahren.«
    »Wen?«
    Er vergewissert sich in seinen Aufzeichnungen. »Vakirtsis, den Journalisten.«
    Ein Kriminalhauptwachtmeister aus der Besatzung des Einsatzwagens steigt aus und kommt auf mich zu.
    »Wer sind Sie denn?« fragt er.
    Ich zeige ihm meinen Dienstausweis. »Kommissar Charitos. Bleiben Sie hier, bis ich Sie rufe.«
    Beide blicken mich beunruhigt an, aber sie wagen keinen Widerspruch. Zusammen mit Fanis mache ich mich wieder auf den Weg nach oben.
    »Wenn man einen Krankenwagen gerufen hat, lebt er vielleicht noch«, meint er.
    Genau das denke ich auch und bete, daß es so ist. Ich kämpfe mich durch die Menge, indem ich ununterbrochen meinen Namen und Dienstgrad wiederhole, und erhasche dabei erschrockenes Wispern, Schluchzen und Wimmern. Die Kleidung vieler Gäste ist naß.
    Schließlich stoße ich auf eine freie Grünfläche mit einem riesigen Schwimmbecken in der Mitte. Mein Blick geht ganz automatisch zum Pool, doch das Bassin ist leer und die Wasseroberfläche glatt. Daneben sitzt eine Frau auf einem Stuhl. Sie hat sich zum Rasen hinuntergebeugt, als suche sie etwas, und ihr Körper wird von Schluchzen geschüttelt. Auch ihre Kleider sind naß.
    Ich lasse meinen suchenden Blick weiter umherschweifen, bis ich etwa fünfzehn Meter vom Schwimmbecken entfernt etwas Helles unter einer Pergola erkennen kann. Die Stelle ist spärlich erleuchtet, und ich kann den Anblick nicht genau einordnen. Doch als ich näher komme, wird mir klar, daß es sich um einen menschlichen Körper handelt, der unter einem Laken liegt.
    Ich trete darauf zu und mustere es von oben. Die kleine Hoffnung, die durch die Ankunft des Krankenwagens

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