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Live!

Live!

Titel: Live! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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auf das Dach brennt und mir den Schädel versengt. Auf der Höhe von Faros bleibe ich bei den Bauarbeiten zum Viadukt hängen, und die Fahrt geht nur mehr im Schrittempo voran. Wenn ich im Sommer in Athen bleibe, fluche ich, weil ich die Glut nicht aushalte. Und wenn ich in die Ferien fahre, zetere ich, weil ich den Rummel nicht ertrage.
    Ich biege rechts in die Frangoklissias-Straße ein, dann wieder rechts in die Ejialias-Straße. Die Nummer 54 liegt in der Nähe des Reitvereins und zählt zu diesen neuen, hypermodernen Bürotürmen, ganz aus Glas und dermaßen überfüllt mit Zimmerpflanzen, daß sie wie Treibhäuser wirken.
    Die Büros der Firma BALKAN PROSPECT liegen in der dritten Etage. Der Firmeneingang wirkt unauffällig: eine einfache weiße Tür mit einem kleinen Firmenschild, an das man nahe herantreten muß, um es zu entziffern: BALKAN PROSPECT , REAL ESTATE AGENTS . Und darunter auf griechisch: MAKLER FÜR IMMOBILIEN UND LIEGENSCHAFTEN .
    Der schlichte Eindruck bestätigt sich auch im Inneren. Der Vorraum ist mittelgroß und einfach möbliert: ein Schreibtisch mit Computer und eine kleine Besucherecke. Hinter dem Schreibtisch sitzt eine kaum fünfundzwanzigjährige Sekretärin, einfach gekleidet und diskret geschminkt. Offenbar dehnt sich die Trauerarbeit nicht bis auf Favieros’ Tochterfirmen aus.
    »Kommissar Charitos. Ich möchte Frau Janneli sprechen.«
    Sie hatte mich als Kunden eingeschätzt, und nun stelle ich mich als Bulle heraus. Das bringt sie etwas aus dem Konzept. Sie greift nach dem Hörer, um mich anzumelden, doch dann überlegt sie es sich anders. Sie steht auf und geht durch die Tür linkerhand in Jannelis Büro. Kurze Zeit später kommt sie wieder heraus und läßt mich eintreten.
    Die Janneli ist die vierte Fünfzigjährige in Folge, auf die ich in Favieros’ Unternehmen treffe. Sie ist dunkelhaarig, trägt ein blauweißes Kostüm und strahlt eine für ihr Alter eindrucksvolle Schönheit aus, obwohl sich eine gewisse Müdigkeit in ihr Gesicht gegraben hat. Sie empfängt mich äußerst zuvorkommend und gibt mir lächelnd die Hand. Dann nimmt sie auf ihrem Sessel Platz und blickt mich wortlos an.
    »Das hier ist ein inoffizieller Besuch, Frau Janneli«, sage ich einleitend. »Es handelt sich um eine reine Formsache nach Jason Favieros’ Selbstmord. Wir wollen bloß ergründen, was ihn zu dieser – wie soll ich sagen – spektakulären Tat getrieben hat.«
    »Ich fürchte, da sind Sie bei mir an der falschen Adresse, Herr Kommissar«, meint sie freundlich und ohne jegliche Ironie.
    »Wieso? Gehört BALKAN PROSPECT nicht zu Favieros’ Unternehmensgruppe?«
    »Doch, aber Jason Favieros ist selten hierhergekommen. Wenn es etwas zu besprechen gab, hat er mich in die Firma DOMITIS bestellt, wo sein Büro lag. Folglich weiß ich nicht, was ihn zum Selbstmord bewegt hat und wie seine Stimmungslage vor der Tat war. Ich hatte ihn monatelang nicht gesehen.«
    »Halten Sie es für wahrscheinlich, daß er sich umgebracht hat, weil er in finanziellen Schwierigkeiten war?«
    »Von unserer Firma her zu schließen, nein«, entgegnet die Janneli gelassen. »Ich weiß nicht, wie die anderen Firmen der Gruppe liefen, aber es kommt mir unwahrscheinlich vor, daß er sich aus finanziellen Gründen getötet hat.«
    »Dies hier ist ein Offshore-Unternehmen, nicht wahr?« frage ich die Janneli, um mich an das heiße Eisen heranzutasten.
    »Gewiß. Und ein viel größeres, als es von unserer Zentrale her den Anschein hat.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Wir machen keinen großen Eindruck, weil wir eine sehr flexible Struktur haben. Alle Geschäfte werden von den Maklerbüros vor Ort abgewickelt. Wir hier verfügen nur über einen juristischen Beirat, der die Verträge prüft, und eine kleine Buchhaltungsabteilung. Darüber hinaus gibt es nur mich und meine Sekretärin.«
    »Hat Favieros diese flexible Struktur entworfen?«
    »Er hat alle Organigramme seiner Unternehmen selbst entworfen. Jason Favieros hatte für Unternehmensberater nichts übrig. Er meinte, sie würden nur nach vorgefertigtem Schema arbeiten. Um ein Unternehmen richtig zu strukturieren, so sagte er immer, müsse man es lieben und auf seinen Herzschlag hören.«
    »Führt Ihre Firma auch Bauarbeiten durch?«
    »In bestimmten Balkanstaaten, in denen es noch keine entsprechende Infrastruktur gibt, haben wir kleine Baufirmen eingesetzt, die Wohnhäuser errichten. In Griechenland befassen wir uns ausschließlich mit dem An- und Verkauf von

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