Live Fast, Play Dirty, Get Naked
eine Filmkarriere. Er spielte auch in einigen Filmen mit, die aber alle nicht gut waren – selbst wenn einzelne davon okay waren, herrschte doch Einigkeit, dass Curtis es nicht war. 1982 verkündete er, er wolle die Schauspielerei aufgeben und sich wieder ganz auf die Musik konzentrieren. Eine neue Platte war in der Pipeline, diesmal einDreieralbum … doch dann gingen die Gerüchte wieder los. Curtis wäre die ganze Zeit betrunken, er nähme wieder Heroin, er sei kokainabhängig … er hätte eine seiner Freundinnen zusammengeschlagen, er hätte sich nicht unter Kontrolle, er drehe durch … er habe sein ganzes Geld verprasst und lebe auf der Straße …
Ich weiß nicht, wie viel davon stimmte.
Ich weiß nur, dass am Neujahrstag 1983 seine Leiche im Zimmer eines schäbigen Hotels in der Innenstadt von Los Angeles gefunden wurde. Er war an einer gewaltigen Überdosis Heroin gestorben.
Weil es keinen Abschiedsbrief gab, wurde danach noch jahrelang über seinen Tod spekuliert und es gab zahllose konspirative Theorien, dass es kein Selbstmord gewesen sei, sondern eine versehentliche Überdosis, oder dass er umgebracht wurde – von einer Exfreundin, dem FBI, der Mafia …
Ich weiß nicht, ob Curtis sich umgebracht hat. Doch was es auch war – Selbstmord oder Versehen –, es hatte sich seit Langem abgezeichnet.
Es war nur die Frage gewesen, wann.
Deshalb kann ich nicht sagen, ich wäre überrascht gewesen, als ich davon erfuhr … ich war bestürzt, sprachlos, schockiert, verwirrt und ich heulte mir das Herz aus dem Leib – lange. Aber nein … überrascht war ich nicht.
Er war Curtis Ray.
Fucked up and dead at every moon.
Leben und Tod …
Keine Ahnung …
Es ist immer verdammt hart.
Aber du kannst das eine nicht ohne das andere haben.
Und genau darum geht es ja im Grunde. Ich kann jetzt die Geschichte erzählen, weil Nancy tot ist und Little Joe ein neues Leben am anderen Ende der Welt gefunden hat, also muss ich nicht befürchten, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, wenn ich ihre Geheimnisse preisgebe, denn die Geheimnisse können ihnen nichts mehr antun.
In den Tagen und Wochen nach Williams Tod war ich – körperlich und seelisch – so fertig, dass es mir gar nicht in den Sinn kam, etwas von dem, was in mir vorging, könne nichts mit meiner Trauer zu tun haben. Die Müdigkeit, der Brechreiz … ich schrieb das alles zwar nicht bewusst dem Trauerprozess zu, denn zu der Zeit konnte ich überhaupt nicht rational denken. Es war einfach etwas, das mir widerfuhr, genau wie alles andere … ehrlich gesagt registrierte ich es kaum.
Doch Anfang Oktober, nachdem ich mich eine ganze Woche lang Morgen für Morgen übergeben hatte, dämmerte mir schließlich, dass mit mir vielleicht etwas anderes war. Deshalb ging ich zum Arzt, um mich untersuchen zu lassen (das war noch zu der Zeit, als es keine Schwangerschaftstests für zu Hause im Laden zu kaufen gab), und nach wenigen Tagen erhielt ich die Bestätigung – ich war schwanger.
Ich würde ein Kind bekommen …
Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Ein Teil von mir war begeistert, beschwingt, freudig erregt … der andere Teil hatte Angst, war verwirrt, kam damit nicht zurecht. Ich weinte noch um William, ich trauerte noch, war noch gefangen von seinem Tod … wie konnte ich da ein neues Leben feiern? Außerdem war ich schließlich erst siebzehn, ich ging noch zur Schule …
Ich wusste nicht, was ich tun sollte.
Ich wusste es einfach nicht …
Nur über eines war ich mir vollkommen sicher: dass William der Vater war.
Ich wusste es einfach.
Ich konnte es spüren .
Es gab überhaupt keinen Zweifel in mir.
Abgesehen davon stimmte die Zeit … und wann immer ich mit Curtis geschlafen hatte, hatten wir Vorkehrungen getroffen. Doch in jener Nacht mit William in der Kapelle … da war es anders gewesen. Das war die Nacht …
Ich wusste es.
Und selbst wenn es den leisesten Zweifel in mir gab – was ehrlich gesagt tief drinnen vielleicht schon der Fall war –, spätestens als mein Kind am 12. Juni 1977 auf die Welt kam, ich den kleinen Kerl zum ersten Mal in meinen Armen hielt und ihm in die Augen sah, wusste ich genau, er war Williams Sohn.
Unser Sohn.
Seine Augen waren natürlich blau – haselnussbraun wurden sie erst ungefähr achtzehn Monate später –, aber es waren dennoch eindeutig Williams Augen. Rein, hell, klar und strahlend, so voller Leben …
Alles an ihm war genau wie bei William.
Er war William.
Er ist William.
William
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